
Kreidler - Tank
Bureau B / Tapete / IndigoVÖ: 04.03.2011
Tanz die Geomorphologie
Wo liegt Afrika? Kreidler geben eine unvermutete Antwort. "Tank" verortet den Kontinent irgendwo im Rheinland. Der Schaltkreis-Postrock der Düsseldorfer dreht seine Schlaufen jetzt nämlich zwischen sonnengegerbten Polyrhythmen und schattigen Dschungelgrooves hindurch. Schon wenn "New Earth" seinen düsteren Sog entfaltet, ist klar: Hier muss niemand aus australischen Zeltlagern heraus geholt werden. Diese verschwörerischen Klang-Installationen ziehen einen immer tiefer hinein.
Zu Kreidlers bisherigen Inspirationen zwischen Krautrock und Kraftwerk passen die tänzelnden Rhythmen des schwarzen Kontinents vortrefflich. Sie geben den sich oft im Kreis drehenden Texturen eine geschmeidige Leichtigkeit, die man bei elektroakustischen Künstlern nicht immer erwarten darf. Selbst wenn "Kremlin rules" zum Bestandteil einer Installation in der Berliner Adalbertstr. Nr. 4 wird, halten seine schwebenden Ebenen nicht still. Trotz der meditativen Schwingungen taumeln die Klänge von links nach rechts. Sie lassen sich von Bass und Becken streicheln und schwirren einfach aus der Konstruktion eines 6/8-Taktes heraus. Aber wehe, Du nennst das Jazz!
"Evil love" wiederholt ein stoisches Synthfauchen, doch perlende Arpeggios und verwunschene Sphärenklänge massieren die Erwartungshaltung. "Jaguar" baut aus gegenläufigen Synthpassagen warmen Zeitlupen-Funk. Dafür gleitet das angemessen träge betitelte "Gas giants" wie zähflüssige Lava um eine verlorere Gitarrenfigur. Als sich diese im Hall verliert, tauchen weiche Flöten und ostasiatisch anmutende Schrapinstrumente den Downbeat in fahles Mondlicht. Der geslappte Bass aus "Saal" sorgt zwar für Unruhe, kann den sanft fließenden Koloss aber nicht beschleunigen. Statt ausartender Makrobewegungen findet Kreidlers Muskelaktivität im Kleinen statt.
Obwohl die Stichworte "Repetition" und "Kunst" noch nicht ausdrücklich gefallen sind, könnten sich die lauernden Vorurteile darüber freuen, dass sich die sechs Tracks von "Tank" auf eine knappe Dreiviertelstunde erstrecken. Das kürzeste Stück dauert immerhin noch 6:41 Minuten. Man kennt halt seine Postrocker. Doch Kreidler sind zu lange dabei, um ihren Kunstanspruch mit Routine auszubremsen. Bei allen sechs Langstreckenläufen erzielen behutsame Texturverschiebungen hypnotische Effekte. Rhythmik verläuft hier gerne in mehreren Ebenen. Wo sich zunächst Struktur zwischen Zirpen und Flirren aufreibt, mogeln sich klirrende Echos und zerklüftete Wolken hinzu, um ihre Interpretation von Takt dazuzugeben. Zwar kann sich "Tank" bis zum Ende nicht völlig von seinem Kopf freimachen. Weil die neue Freiheit jedoch im Hüftgelenk liegt, wird der Globus zur Discokugel.
Highlights & Tracklist
Highlights
- New Earth
- Evil love
- Kremlin rules
Tracklist
- New Earth
- Evil love
- Jaguar
- Gas giants
- Saal
- Kremlin rules
Referenzen
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