Rebekka Karijord - The noble art of letting go

Lill Facit / Cargo
VÖ: 18.02.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der goldene Schnitt

Die Betörende, die Fesselnde, die Verbindung Schaffende - wer Rebekka heißt, hat es nun wirklich nicht leicht damit, der Bedeutung seines Namens gerecht zu werden. Die 1976 in Norwegen geborene Wahl-Stockholmerin Rebekka Karijord trägt diese Bürde jedoch mit Würde - und widmet ihr drittes Album ausgerechnet der Kunst des Loslassens. Mit einer kraftvollen Fragilität in ihrer Stimme, mit wohl durchdachten, niemals überladenen Arrangements aus glasklar perlendem Piano, pulsierender Percussion und beherzt schraffierenden Streichern macht sie den Namenstag zum Feiertag, betört, fesselt und verbindet. Zwischen den Bewusstseins-Ebenen, zwischen Ratio und Emotion, zwischen Verlorensein und Wiederfinden.

Angeblich hat Karijord schon im zarten Alter von drei Jahren ihr erstes Lied komponiert, mit acht ihr erstes Demo aufgenommen und mit 12 ihren ersten englischsprachigen Song geschrieben. Auf Tonträgern für Dreikäsehochs war sie zu hören und im norwegischen Kinderfernsehen zu sehen, auch als Schauspielerin, um dann mit 17 auch noch bei einem Majorlabel zu unterschreiben. So weit, so Miley Cyrus. Aber dann kam ihr Gewissen dazwischen und sorgte dafür, dass ihr Plattenvertrag wieder aufgelöst wurde. Die Gute konnte sich nämlich nicht dafür erwärmen, sich verheizen zu lassen. Stattdessen hat sie Musik, Ballett und Schauspiel studiert und die kreative Freiheit genossen - ganz so, wie es ihr von ihren Eltern, beide Künstler, vorgelebt wurde.

2003 erschien Karijords ebenso symphonisches wie elektronisches Debüt "Neophyte", zwei Jahre später der etwas weniger experimentelle und mehr dem Pop zugewandte Nachfolger "Good or goodbye". Zwischendurch suchte sie das Weite und Inspiration in New York und Paris, wurde dann allerdings im gar nicht so fernen Stockholm heimisch, wo sie sich nun ein Studio mit Ane Brun teilt. Dass die beiden Damen sich prächtig verstehen müssen, liegt nahe - sie klingen zum Verwechseln ähnlich. Und noch eine Gemeinsamkeit haben die zwei Norwegerinnen: diese dezent unnahbare, aber keineswegs unangenehm kühle Atmosphäre in ihrer Musik, irgendwo zwischen sagenumwobener Mystik in Moll und entwaffnender skandinavischer Natürlichkeit.

Ein Duett der beiden klingt sicherlich hinreißend, aber darauf braucht man nicht zu warten - dieser Wunsch erfüllt sich nämlich bereits auf diesem Album mit "Morning light forgives the night". Karijords beschwörender Tonfall und die verwunschene Instrumentierung machen diese zehn Lieder zu Meditationen: die Angst-Therapie "Wear it like a crown", die rhythmisch couragierte Standortbestimmung "Parking lot" oder auch "This anarchistic heart", ein beeindruckendes Duell zwischen Gefühl und Vernunft. In "Paperboy" diagnostiziert Karijord zur verständnisvollen Harfe "You went from being him to being you" und "I went from being me to being her" - die Vertonung eines Schnitts mit der zwischenmenschlichen Schere. Nach dem wunderbaren, ausschließlich von einem Klavier begleiteten Titeltrack wird es merklich optimistischer: "Life isn't short at all" ist schönster skandinavischer Pop, "To be loved by you" ein Glücksprotokoll zur Akustikgitarre. Und eines dürfte spätestens jetzt klar sein: "The noble art of letting go" wird einen nicht so schnell wieder loslassen.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wear it like a crown
  • Parking lot
  • This anarchistic heart
  • The noble art of letting go

Tracklist

  1. Wear it like a crown
  2. Undo love
  3. Parking lot
  4. Dead on my feet
  5. This anarchistic heart
  6. Paperboy
  7. The noble art of letting go
  8. Life isn't short at all
  9. To be loved by you
  10. Morning light forgives the night (feat. Ane Brun)
  11. Wear it like a crown (Living room version)
Gesamtspielzeit: 47:34 min

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