Bright Eyes - The people's key

Polydor / Universal
VÖ: 11.02.2011
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Jeder nur ein Kreuz

Die lodernden Flammen auf dem grellroten Cover sprechen eine deutliche Sprache: Das siebte Album von Bright Eyes sucht nach dem Fegefeuer auf Erden und ist dabei stets mehr als eine bedeutungsschwangere Pilgerfahrt in zehn Akten. Conor Oberst und seine beiden beständigen Mitstreiter Mike Mogis und Nathaniel Walcott führen Bright Eyes so nahe an den Rande des Rock'n'Roll wie noch nie. Und irgendwie entbehrt das ja auch nicht einer gewissen Logik, schließlich waren Obersts Soloausritte zuletzt sehr countryesk - und auch die musketierhafte Zusammenkunft mit den Monsters Of Folk ließ wenig Raum für verzerrte Gitarren und losgelöste Handbremsen. "The people's key" ist die Rückkehr zu knackigeren Songs, die sich in ihrer verspulten Verspieltheit irgendwo zwischen "Digital ash in a digital urn" und "Lifted or the story is in the soil, keep your ear to the ground" verorten lässt.

Den Einstieg gestalten Bright Eyes melodramatisch: Ein gesprochenes Pamphlet eröffnet das Album, in pseudoreligiöser Manie prägen sich die Worte ein, bevor eine quengelnde Gitarre "Firewall" einläutet. Ein spannungsgeladenes, mantrahaftes Stück als Einladungsschreiben fürs gemeinsame Schwitzen im Purgatorium: "Bust through the firewall into heaven / Then I'm standing in that blinding light / Crooked crosses falling from the sky." Das seit Jahrhunderten bestehende Spannungsverhältnis von Religion und Wissenschaft ist ein thematisches Leitmotiv auf "The people's key", ebenso wie historische Metaphern. Hier begegnen dem Hörer Hitler, Einstein und Jules Verne, in einem besonders ergreifenden Moment blickt man gar dem letzten Kaiser Äthiopiens ins royale Antlitz. Zum heimlichen Herrscher dieser Platte avanciert folglich "Haile Selassie" mit gewohnt brüchiger Stimme und Walcotts Synthie-Flächen. "Children they fill the bleachers / One is the next Caesar / Keep all their minds collected / Until he comes, until he comes." Ein wahnwitziger Wanderprediger war Oberst schon immer, doch erst jetzt ist der letzte notwendige Schritt vollzogen: "The people's key" ist ein astreines Band-Album - und zwar von einer Band aus drei wahnwitzigen Wanderpredigern, die sich nun endlich gefunden hat.

"Jejune stars" und "Triple spiral", die beiden Stücke, die Rockmusik am nächsten kommen, dürften vor allem den Oberst-Anhängern Freude bereiten, die seit acht Jahren vergeblich auf ein neues Desaparecidos-Album warten: Es darf rumpeln und rauschen, man hört den Raureif auf Obersts Stimme förmlich vibrieren, auch wenn der Drive in letzter Konsequenz immer etwas gedrosselt wird und die Rohheit von "Read music / Speak Spanish" unerreicht bleibt. Für den rührendsten Moment sorgt der bedächtig mit Piano vorgetragene "Ladder song", eine Mörderballade ohne jeden Bombast, eine Suche nach der übergeordneten, platonischen Wahrheit: "Will I know when it's finally done? / This whole life is a hallucination." Die abschließenden sechseinhalb Minuten "One for you, one for me" zählen die Kreuze, die sie zu verteilen gedenken, während die Drums stolpernd den Song anschubsen, bis er drei Meter vor dem Abgrund stehenbleibt, innehält und sicherheitshalber noch einmal durchkalkuliert: "One for the Führer, one for his child bride / One for the wedding, one for the suicide / One for the bunker, one for the broadcast booth / One for me, now one for you." Schlichte Gemüter mögen auf "The people's key" allerorten Gevatter Tod erblicken, in Wirklichkeit jedoch sucht Oberst ein weiteres Mal die Spiritualität im Alltäglichen. Dabei wirkt er wie ein Getriebener, der seine Unsicherheit und seine Wut ganz offen präsentiert: "I'm still angry with no reason to be." Gott sei Dank!

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Shell games
  • Jejune stars
  • Haile Selassie
  • One for you, one for me

Tracklist

  1. Firewall
  2. Shell games
  3. Jejune stars
  4. Approximate sunlight
  5. Haile Selassie
  6. A machine spiritual (in the people's key)
  7. Triple spiral
  8. Beginner's mind
  9. Ladder song
  10. One for you, one for me
Gesamtspielzeit: 47:12 min

Im Forum kommentieren

Garmadon

2020-02-14 18:22:29

Ich auch! :-)
Ja, sie ist vermutlich nicht so "gut"/anspruchsvoll wie eine "Lifted..." aber wenn ich spontan mal Lust habe, Bright Eyes zu hören, lande ich eigentlich meistens bei der.

Finde die 8/10 völlig in Ordnung.

Mayakhedive

2020-01-30 20:59:22

Also ich find die ja super.

The MACHINA of God

2020-01-30 20:58:33

Größte eigene Fehlbewertung bei Plattentests.de: In Vorbereitung auf die im Forum durchgeführte Wahl der "100 Alben der 2010er für die Ewigkeit" habe ich sämtliche 8/10er noch einmal durchgehört und musste mich in einem Fall doch sehr wundern: "The people’s key" von Bright Eyes ist doch ein recht mauer Trauerkloß, der nicht wirklich dem Prädikat "Meisterwerk" gerecht wird.

Sagt der Rezensieur.
Abgesehen davon, dass 8/10 für mcih sicherlich nicht "Meisterwerk" bedeutet und ich das Album im Vergleich zum Recht gar nciht trauerkloßig finde, ist es aber für mich auch ihr/sein schwächstes von allen Alben des neuen Jahrtausends.

The MACHINA of God

2013-06-27 15:59:00

Soll das eine Einzelsongwertung sein, Spambot?

2012-11-29 22:18:35


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