Seefeel - Seefeel

Warp / Rough Trade
VÖ: 28.01.2011
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Die Deformanten

Auch wenn die Neunziger eigentlich ein Crossover-Jahrzehnt waren: Als Musiker wie Aphex Twin und Labels wie Rephlex oder Warp Records den Grundstein für das legten, was später Intelligent Dance Music heißen sollte, war wenig Platz für genrefremde Kapriolen. Und wenn auf Warp lange vor Maximo Park oder Grizzly Bear ausnahmsweise eine klassisch besetzte Band wie Seefeel aus London um die Ecke kam, hieß das noch lange nicht, dass sie auch wie eine klang. Ein Name wie aus dem Empfindungszentrum eines fortgeschrittenen Synästhesisten, Titel, die eher chemischen Formeln glichen, und eine Musik, in der Maschinen-Drones, weibliche Äther-Vocals und bis zur Unkenntlichkeit auf links gezogene Gitarren zu deformierten Texturen verwoben wurden. Techno? Passt nicht. Rock? Ist es nicht. Ambient? Zu viel Krach. Und jetzt? Tja.

Jedenfalls gab es nicht viel zu dieser Zeit, das man mit einem Album wie "Succour" hätte vergleichen können. 15 Jahre später sieht das etwas anders aus. Schließlich sind inzwischen Dinge wie Chillwave und Witch House angesagt und gehören Shoegaze oder Postrock längst zum guten Ton. Doch während Bands wie Esben And The Witch aus ihren gespenstischen Klanginstallationen irgendwie immer noch einen Song herausmeißeln, favorisiert das Quartett um Mark Clifford auch 2011 weitestgehend das Trackformat - und lässt nach wie vor im Zeitraffer durchgeschmorte Elektronik auf vorgetäuschtes Scratching und entleibte Riffs prallen, zu denen Sarah Peacock sirrende Mantras singt.

Neu sind dagegen der vergleichsweise saftige Wumms des ehemaligen Boredoms-Drummers Iida Kazuhisa und Shigeru Ishiharas abgrundtiefe Bassläufe, die durch nahezu jeden Track wummern - und auch die diffuse Bedrohlichkeit, die von den aufgeworfenen Soundschichten auf "Seefeel" ausgeht. "Dead guitars"? Liegen zur Genüge herum, nachdem sich das Stück sechseinhalb Minuten mit Macht drübergewälzt hat. "Faults"? Passieren wenige auf der gleichnamigen Comeback-Single, die Peacocks Stimme zwischen gelooptem Backbeat und elektronischen Kurierfahrten ungewohnt viel Raum lässt. Und plötzlich sogar kurz Dream-Pop ist. Auch wenn der jeden Moment kippen kann. Denn die Grenzen zwischen Traum und Albtraum sind hier meist fließend.

Viele Stücke erkämpfen sich zunächst wohlige Monotonie, laufen dann jedoch meist knirschend vor eine Wand aus niedergemachten Gitarren und sonstigem Geräusch. "Rip-run" positioniert sich in der Nähe düsteren Industrial-Dubs, stürzt bald aber auch in eine Schlucht voll zerklüfteter Distortion. Und "Airless" lässt als aus den Fugen geratene Torch-Song-Ballade tatsächlich wenig Luft zum Atmen. Kazuhisa und Ishihara erden dabei als Rhythmusgruppe das früher oft ungreifbar flimmernde Soundbild so weit, dass man das Grundgrollen aus Schlagzeug und Bass wie etwas körperlich Präsentes spüren kann. Und präsent sind auch Seefeel auf diesem überzeugenden Comeback. Man dröhnt sich ja sonst nichts.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dead guitars
  • Rip-run
  • Airless

Tracklist

  1. O-on one
  2. Dead guitars
  3. Step up
  4. Faults
  5. Gzaug
  6. Rip-run
  7. Making
  8. Step down
  9. Airless
  10. Aug30
  11. Sway
Gesamtspielzeit: 51:35 min

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aphex twin sein Steuerberater

2011-01-26 16:51:44

Ja, finde ich auch super, dass Seefeel wieder da sind!

Ich weiß noch, wie mich dieses "Time to find me", aber auch "Succour" gehört habe und es nicht fassen konnte, dass die Tracks zu dem Zeitpunkt (muss so 2005 gewesen sein) noch so modern und frisch klangen

musie

2011-01-26 09:18:07

schön, hier eine so treffende rezi zu Seefeel zu haben. finde das album stark, freu mich auf primavera, wo sie spielen werden.

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