Amplifier - The octopus
AmpCorp / Cadiz / SoulfoodVÖ: 18.02.2011
Plötzliche Erkrakung
Manchmal sieht man den Tintenfisch vor lauter Armen nicht. Mit "Armen" sind hier Gitarrenspuren und -effekte gemeint, mit "Tintenfisch" die 16 Songs auf Amplifiers neuem Album - und mit "sehen" natürlich hören. Das kleinste Prog-Orchester der Welt ist nach über vier Jahren zurück, ganz ohne Plattenfirma, ganz ohne fremde Hilfe und mit einem Riesenkraken von einem Doppelalbum, an dem sich jeder Pottwal die Zähne ausbeißt und das mancher Hörer frustriert in die Ecke schmeißen wird. "The octopus" ist Irrgarten und Planetensystem zugleich. Überall ist Platz für übergroße Riffs und majestätisch ausufernde Songs. Und zugleich schlägt die Band so viele Haken, dass es ein Leichtes ist, die Orientierung zu verlieren.
In diesen zwei Stunden Space-Orgie treffen Amplifier allerdings wesentlich öfter in Schwarze, als dass sie über die eigenen Füße stolpern. Schon der Bombast des sich langsam aufbäumenden "Minion’s song" mit seinen hübschen Klavierfiguren nimmt den Hörer gefangen, und die ungestümen Noiseattacken von "Interglacial spell" und "The wave" brennen sich direkt ins Trommelfell. So ist es zu verkraften, dass "White horses at sea / Utopian daydream" nicht nur in puncto Songtitel etwas ziellos durch den Weltraum eiert. Anderes versteckt sich anfänglich unter einer dicken Schicht stacheliger Unzugänglichkeit wie das im Mittelteil verwirrend jazzige und am Ende schlichtweg epische "Trading dark matter on the stock exchange".
Dass dem herrlich trockenen Schlagzeug-Bass-Gegrummel des Titeltracks noch generisches Weltraum-Gedudel vorgestellt ist, ist so ein Beispiel für die Überflüssigkeit, die sich manchmal auf "The octopus" breit macht. So muss man sich die Platte mehr erarbeiten, als es bei ihrem Umfang sowieso schon nötig ist. Auch das eigentlich fantastische "The sick rose" mit seinen orientalisch anmutenden Gitarrenmelodien, die sich Stück für Stück in staubtrockenes Stoner-Gebrate verwandeln, versteckt sich hinter einer solchen Wall of Gedudel.
Dass dann gerade der zweitlängste Song "Interstellar" zehn Minuten in Gitarrenform gegossene Griffigkeit ist, kann man nur so hinnehmen. Die Frage "Warum nicht immer so?" erübrigt sich bei einer Band, die keine Angst davor hat, sich auch einmal richtig zu verheben und mit Würde an einem Song zu scheitern. Es ist okay, dass sich das aufmerksamkeitsdefizitäre "The emperor" nie für mehr als ein paar Sekunden an einem Rhythmus festkrallt und dass die künstliche Kitschigkeit von "Oscar night / Embryo" sich ab und zu selbst nicht im Griff hat. Wenn Amplifier scheitern, dann mit Stil, Würde und dem Blick Richtung Sterne. Wer acht Arme hat, verheddert sich eben auch einmal.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The octopus
- Trading dark matter on the stock exchange
- The sick rose
- Interstellar
Tracklist
- CD 1
- The runner
- Minion's song
- Interglacial spell
- The wave
- The octopus
- Planet of insects
- White horses at sea / Utopian daydream
- Trading dark matter on the stock exchange
- CD 2
- The sick rose
- Interstellar
- The emperor
- Golden ratio
- Fall of the empire
- Bloodtest
- Oscar night / Embryo
- Forever and more
Im Forum kommentieren
Leech85
2023-05-13 16:05:19
Ja grandios!!!! Ein perfekter Abschluss für ein solches Mammutwerk. Der 2. Teil in Airborne gefällt mir aber noch besser;)
nörtz
2023-05-13 14:39:24
Die zweite Hälfte von Forever And More ist doch Weltklasse, was meint ihr?
Lateralis84skleinerBruder
2022-10-29 11:58:50
Debüt, Octopus und Echo Street. Mehr brauch ich nicht. Aber live würde ich mir die immer geben.
fuzzmyass
2022-10-29 11:18:59
Fand ja das Debüt immer besser und unerreicht... Muss mal wieder beides auflegen
keenan
2022-10-29 09:44:38
alle elektronischen geräte sind komplett aus.
es kann eigentlich nur ne lüftung, heizung oder stromleitungen in der wand sein...
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