Christiane Rösinger - Songs of l. and hate

Staatsakt / Rough Trade
VÖ: 22.10.2010
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Das L-Wort

"Liebe wird oft überbewertet!" lautete vor knapp 15 Jahren einer der sympathischen Schlachtrufe der resoluten Lassie Singers, denen eine gewisse Christiane Rösinger vorstand. Mittlerweile ist sie alleine unterwegs und schreibt das L-Wort noch nicht einmal mehr aus: "Songs of l. and hate" heißt ihr Solodebüt. Wobei dieses "l." im Albumtitel auch für etwas anderes stehen könnte: Nachdem Rösinger 2008 ihren autobiografischen Roman "Das schöne Leben" veröffentlichte, beschert sie uns nun ein Werk, dem der Untertitel "Das schöne Leiden" ausgezeichnet stehen würde. Die Stücke heißen "Desillusion", "Verloren", "Sinnlos" oder "Es ist so arg" und sind, zumindest lyrisch, genau so, wie man sich das vorstellt: schwermütig, melancholisch, trübsinnig. Aber auch hinreißend lakonisch, charmant nihilistisch und niemals selbstmitleidig - das ist eine der großen Stärken dieser durchweg wunderbaren Platte.

Eine andere große Stärke sind Rösingers Texte, die herrlich unprätentiös vorgetragen werden, dabei jedoch außerordentlich lebensklug sind und vor allem eine scharfe Beobachterin offenbaren. "Ich geh überall hin / Ich schau mir alles an / Aber fragt mich einer: Wie ist's Dir zumute? / Grad so, als ob das Herz recht angenehm verblutet", verkündet sie im erstaunlich gut gelaunten Boogie "Hauptsache raus", um dann noch "Doch ich tu, was ich kann / Und ich lass mich nicht gehen / Mich wird keiner am Boden sehen" hinterher zu schicken. "Die Knef des Prekariats" wird Rösinger mitunter genannt, was natürlich ein reichlich hinkender Vergleich ist. Wobei er in einer Hinsicht tatsächlich zutrifft: im würdevollen Umgang mit dem Lied an sich. Trotz höchst persönlicher Texte drängt Rösinger sich nie in den Vordergrund, sondern lässt den Stücken ihr Eigenleben.

So ganz solo ist sie dabei aber doch nicht: Andreas Spechtl, Frontmann der nach Berlin übergesiedelten österreichischen Indie-Formation Ja, Panik, hat die zehn Stücke auf "Songs of l. and hate" arrangiert und bis auf die akustische Klampfe auch alle Instrumente eingespielt - Klavier, E-Gitarre, Schlagzeug und im ausschließlich aus negativ besetzten Adjektiven mit der Vorsilbe "ver-" bestehenden "Verloren" auch die Mundharmonika. Bob Dylans legendäres "Bringing it all back home"-Albumcover nachzustellen, war ebenfalls seine Idee, während Rösinger mit dem fast eins zu eins übernommenen Leonard-Cohen-Albumtitel einem ihrer Helden huldigt. Und dann hat sie noch "These days", einst von Jackson Browne für Nico geschrieben, sehr gelungen ins Deutsche übersetzt - es endet mit der Erkenntnis "Es ist ja nur, weil meine Lieder immer schon klüger als ich sind."

Das zwischen trotziger Sehnsucht und sehnsuchtsvollem Trotz schwankende "Ich muss immer an Dich denken" hat Rösinger angeblich in zehn Minuten geschrieben. Es bietet gleich zu Beginn das schönste Piano-Arrangement der ganzen Platte, die allerdings noch wesentlich mehr parat hat: zum Beispiel das in der Tradition des Wiener Liedes stehende, bissig-humoreske "Berlin", bei dem Spechtl sogar mitsingen darf. "Es geht sich nicht aus" und "Desillusion" gönnen sich eine gepflegte Indie-Schrammeligkeit, während das großartige "Es ist so arg" die psychische Störung als Trend persifliert: "So am Ende war ich noch nie / Das ist die melancholische Hypochondrie." Was auch immer das im einzelnen bedeuten mag. Warum die vielleicht beste deutschsprachige Singer/Songwriterin, erst recht jenseits der Vierzig, nach wie vor nicht angemessen gepriesen wird, bleibt ebenfalls rätselhaft. Rösinger wird oft unterbewertet. Dabei sind ihre Lieder doch so liebenswert.

(Ina Simone Mautz)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ich muss immer an Dich denken
  • Berlin
  • Hauptsache raus
  • Es ist so arg

Tracklist

  1. Ich muss immer an Dich denken
  2. Es geht sich nicht aus
  3. Desillusion
  4. Berlin
  5. Verloren
  6. Sinnlos
  7. Hauptsache raus
  8. These days
  9. Es ist so arg
  10. Kleines Lied zum Abschied
Gesamtspielzeit: 34:48 min

Im Forum kommentieren

Jan Tenner

2011-01-09 23:16:15

Schade, dass du so unaufmerksam liest.

Try again.

!!!

2011-01-09 23:15:21

dir fehlen also arcade fire, animal collective, joanna newsom, tocotronic, interpol, the national und sonst auch alles andere in deiner sammlung - weil wigger die Cds abgefeiert hat?

du armer.

Jan Tenner

2011-01-09 23:09:08

Habe nichts gegen dieses Album gesagt. Wenn andere es gut finden mag das ja auch stimmen.

Allerdings ist Jan Wigger kein Kriterium. Er hat die musikalische Weisheit wahrlich nicht mit Löffeln gefressen. Ich finde er greift unglaublich zielgenau ins Klo und vertuscht dies gekonnt mit Eitelkeit und Arroganz.

Walt

2011-01-09 23:07:28

Nutzt sich leider schnell ab, so großartig es im ersten Durchlauf auch ist.

!!!

2011-01-09 23:05:12

das album ist große klasse und wigger nun nicht der einzige, der das so gesehen hat.

was hier immer erst in den perlen oder gar nicht kommt, ja, auch ja panik oder cats on fire,hat wigger zumindest pünktlich dabei. ich nenn das die WHNPDIIBWIPD-konstante.


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