Genetiks - Schwarzbuch deutscher Postpunk

Genoton / Danse Macabre / Al!ve
VÖ: 26.11.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

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Es gibt immer wieder Bands, die klarstellen, dass die Neue Deutsche Welle eigentlich kein Nachfahre des herkömmlichen Schlagers war. Damit war deutschsprachiger New Wave gemeint; jene Musikrichtung also, die anfangs Postpunk genannt wurde, weil die Bands Ende der siebziger Jahre die musikalische Freiheit nach der Punk-Revolution für einen kurzen Moment auskosten konnten. Das ist lange her, und auch die kommerziell einträgliche Rückbesinnung Mitte der Nuller durch Bands wie Franz Ferdinand und Bloc Party war letztlich nur Verklärung.

Genetiks haben mit rosaroten Brillen jedoch nun so gar nichts am Hut. "Dieser Horror ist blank", nölt uns Maik Dornberger in "Gimme hope Andreas" entgegen. "Schwarzbuch deutscher Postpunk" ist angefressen, nervös, getrieben, frustriert, rumpelnd, paranoid, wütend, lärmig, anmaßend, frontal. Der Geist des Punk lebt in dieser Musik - meistens unter der Brücke zur Kunstschule. Der taumelnde Haudrauf der Genetiks erinnert sich an die britische Unruhe des Herbstes 1977 genauso wie an die eckige Frühphase der NDW und den frühen Post-Hardcore. Washington, DC liegt ja auch gleich neben Nürnberg.

Schon im Opener "Keine neue Heimat" wummern und kratzen die Gitarren zu analogem Synthbässen. "Diese Band ist Deine ganze Hoffnung." Von wegen! Dornberger lebt hier seinen ganzen Zynismus aus und spuckt uns einen fiesen Ohrwurm vor die Füße. Billige Käse-Keyboards zeigen, dass Technik hier nur notwendiges Übel ist. Dissonanz piekst das Gehör. Während das Gehirn gerade mit Parolen zugetextet wird, massieren die Riffs das Magengeschwür.

Zwischenmenschlichkeiten finden sich in Songs wie "Affenliebe" und "Gegner" wieder. Sensibilität kann da kaum erwartet werden. "Morgen weiß keiner, wo Du herkommst / Aber heut kommst Du von vorn." Im großartigen "Ceaucesku" wummert ein Zweiton-Riff stur vorwärts und wird nicht mal durch dramatisches Piepsen abgelenkt. Dornberger nutzt die Hinrichtung des rumänischen Diktators, um eigene Rechnungen zu begleichen. "Sie stellen Dich an die Wand / Und Du willst Vergebung / Welche Vergebung?" Das ist keine miese Laune, dass ist sarkastische Frustration. Hoffnung ist was für Popper.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Keine neue Heimat
  • 1946
  • Ceaucesku
  • Gegner

Tracklist

  1. Keine neue Heimat
  2. Rom
  3. Affenliebe
  4. 1946
  5. Gimme hope Andreas
  6. Hexenjagd
  7. Ceaucesku
  8. Gegner
  9. Die Verwandlung
  10. Zombie aus Rust
Gesamtspielzeit: 36:48 min

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