The Builders And The Butchers - Dead reckoning

The Instrument Village / Broken Silence
VÖ: 12.11.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Eine Seefahrt, die ist lustig

Auch wenn man es sich damit etwas zu einfach macht: Die Ähnlichkeiten sind doch frappierend. Beide kommen aus Portland, Oregon, spielen leicht durchgeschepperten Indie-Folk mit düsteren, manchmal aber auch herzerweichenden Texten. Banjo, Mandoline, Slide Guitar und Melodica gehören zum Standardinstrumentarium, der Sänger näselt Geschichten von hoher See, staubigen Wüsten, verlorenen Schlachten und schönen Burgfrolleins. Die einen sind die bekannten Decemberists mit Colin Meloy als Frontmann, die anderen die bisher weitestgehend unbekannten The Builders And The Butchers. Erstere veröffentlichen dieser Tage ihr neues Album, letztere legten bereits Ende 2010 mit ihrem Drittling "Dead reckoning" vor. Warum aber einen Abklatsch einer sehr guten Band hören? Weil der vermeintliche Abklatsch zwar sehr ähnlich klingt, aber trotzdem nicht weniger gut oder gar irrelevant wäre.

The Builders And The Butchers haben dem Original stellenweise sogar etwas voraus. Sie packen den Konzept-Ballast der Decemberists-Alben "The crane wife" und "The hazards of love" beiseite und spielen einfach nur herrlich verschrobenen, knarzenden Folk mit einer beeindruckenden Bandbreite von Pathos bis Punk. Es braucht zunächst ein wenig Zeit, bis der Opener "I broke the vein" in Fahrt kommt, dann aber explodiert und mit voller Kraft in die hohen Gewässer ausläuft. Und zwar mit allem Pipapo, den diese Kapelle auf die Bretter zaubern kann. Geht es um Drogen? Um Seefahrt? Um Seefahrt auf Drogen? Man weiß es nicht genau, es ist aber letztendlich auch egal. Den Spaß gibt es sowieso frei Haus. Denn ähnlich wie beim darauffolgenden "It came from the sea" darf hier heimlich auch einmal mitgeschunkelt werden. "Lullaby" stört die Seefahrerschwärmerei mit seiner ruppigen Morbidität und ist das genaue Gegenteil dessen, was der Songtitel verspricht. Sanft einschlafen ist hier nicht. Der weitere Weg führt über herzende Balladen wie "All away" bis zum von einer markanten Fiedelmelodie getragenen Stampfer "Cradle on fire".

Gegen Ende wird "Dead reckoning" rauher und etwas schwerer. Der Schwung der ersten Hälfte weicht in den puritischeren Stücken wie der Klavierelegie "Out of the mountain" oder "Blood for you" einer melancholischen Trägheit, die Geduld erfordert. Die Belohnung ist aber um so größer, wenn man sich erst einmal hineingehört hat. Mit dem versöhnlichen "Family tree", einem Stoßgebet eines Outlaws um Vergebung durch den Herrn dort oben, beschließen die Indiefolker ihre musikalische Reise auf die dunkle Seite. The Builders And The Butchers wären für den Augenblick die besseren Decemberists gewesen, wären Meloy und Konsorten ihnen nicht mittlerweile in die Parade gefahren. "Dead reckoning" ist jedoch viel mehr als nur ein ungeliebter, kleiner Bruder. Denn wem die Decemberists inzwischen zu langweilig geworden sind, der wird hier glücklicher werden. Leinen los und hisst die Segel.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lullaby
  • Rotten to the core
  • All away

Tracklist

  1. I broke the vein
  2. It came from the sea
  3. Lullaby
  4. Rotten to the core
  5. Moon is on the march
  6. All away
  7. Cradle on fire
  8. We all know the way
  9. Out of the mountain
  10. Blood for you
  11. Black elevator
  12. Family tree
Gesamtspielzeit: 49:12 min

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