Neil Diamond - Dreams

Columbia / Sony
VÖ: 05.11.2010
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Runter wie Schmieröl

Auf der Habenseite stehen hier mehr als 50 Jahre geballte Bühnenpräsenz und 128 Millionen verkaufte Tonträger. Und natürlich eine Stimme, die so manche Träne trocknete. Der von der "Zeit" als "Witwentröster" geadelte Neil Diamond wird bald 70 und nimmt diese zeitliche Zäsur zum Anlass, auf seine erstaunliche Karriere zurückzublicken. Und nimmt mit seiner akustischen Gitarre eine Coverplatte mit seinen Lieblingssongs auf, um zu komplettieren, was eigentlich schon längst vollständig ist. Da kommen die Beatles zu Ehren, Leonard Cohen und Leon Russell. Mit "I'm a believer" spielt Diamond sogar einen der erfolgreichsten Songs der Monkees erneut ein - eine Eigenkomposition, die er einst der Casting-Gruppe überließ.

Ganz ruhig geht die Zeitreise mit "Ain't no sunshine" los. Die Akustische zupft sich in Stimmung, Diamond bringt sich selbst in Schwung. Die spitzen Streicher und das pathetische Klavier kann man dabei getrost ignorieren - aber diese warme, weiche Stimme geht noch immer runter wie Schmieröl. Die McCartney-Songs "Blackbird" und "Yesterday" gestaltet Diamond ziemlich dramatisch: Ersteres wird zum Country-Schunkler und verliert dadurch seine ganze ursprüngliche Zartheit, Letzteres gibt ihm die Möglichkeit, sein ganzes stimmliches Volumen auszukosten, so dass der Song vor Schmalz und Schmerz trieft. Diamond kann McCartney entweder nicht leiden, oder er versteht ihn nicht. Und das ist beinahe tragisch.

Die schönen Momente dieses Albums sind jene, die Diamond zerbrechlich und unsicher zeigen. Das ergreifende "Let it be me" gehört genauso dazu wie das leider schon viel zu oft geschundene "Desperado" von den Eagles. Hier ist er ganz nahe bei Johnny Cash, obwohl dessen Version noch immer in ganz anderen Sphären schwebt. Dennoch: Diamond schafft in diesen knapp vier Minuten eine wohlig warme, melancholische Grundstimmung, die dem Original zur Ehre gereicht. Und selbst wenn man über die zumindest gut gemeinte Version von "Hallelujah" besser den Mantel des Schweigens breiten sollte, hat "Dreams" viele passable Momente zu bieten.

Etwas wehmütig erinnert man sich an die grandiose, unerreichte Version von "Dry your eyes", die Diamond beim Abschiedskonzert von The Band zum Besten gab. Wie er da mit all diesen legendären Musikern auf der Bühne steht, in seinem deplatzierten blauen Anzug nervös mitwippt und seine etwas zu große Sonnenbrille zurecht rückt. Eine Momentaufnahme, die ein treffendes, trauriges Bild von Diamond zeichnet. Einem Musiker, der unbedingt dazugehören wollte. Der sich wünschte, wie Bob Dylan verehrt zu werden und nun ein Spätwerk wie Cash erzwingen will. Und es immerhin zu wahnwitzigem Erfolg brachte und über eine gesegnete Stimme verfügt. Auch auf diesem netten Coveralbum - das aber leider bald vergessen sein wird.

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • A song for you
  • Let it be me

Tracklist

  1. Ain't no sunshine
  2. Blackbird
  3. Alone again (naturally)
  4. Feels like home
  5. Midnight train to Georgia
  6. I'm a believer
  7. Love song
  8. Losing you
  9. Hallelujah
  10. A song for you
  11. Yesterday
  12. Let it be me
  13. Desperado
  14. Don't forget me
Gesamtspielzeit: 55:14 min

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