Kid Rock - Born free
Atlantic / WarnerVÖ: 12.11.2010
Der Bauernschlaue
Kid Rock ist der Neureiche, der gerade Urlaub im All-Inclusive-Hotel macht: Er trägt lässig offenes Hemd über der protzigen Goldkette, weil braune Haut und Edelmetall bei den Ladies gut ankommen, er lädt sich den Teller übervoll, weil er ja dafür bezahlt hat, er fährt an der Bar die Ellenbogen aus, weil ihm auch nie einer etwas geschenkt hat. Und inszeniert so auf "Born free" Selbstvertrauen ohne Spur von Selbstbewusstsein, indem er dem Hörer eine ironiefreie Ödnis aus Southern Rock, Blues und Country aufdrängt. Waren seine bisherigen Rap-Rock-Geschosse zwar substanzlos, prollig und pubertär, aber mitunter erfrischend direkt, so scheitert der Versuch, ein uramerikanisches Alterswerk zu zimmern, bereits an Rocks bierernstem Redneck-Dasein.
Eine einzige breitbeinige Ikonographie aus Cowboystiefeln, Unterhemd, Stars and Stripes, Knarre, Jim Beam und Gitarre vor dem Barhocker - mit einer solchen Überfrachtung an Klischees macht der Mann jeder Oliver-Pocher-Parodie Konkurrenz. Oh-oh-oh-Chöre dehnen den Titeltrack direkt auf endlos lange fünf Minuten, die Gitarrenmelodie zerrt in ihrer Schlichtheit an den Nerven, und was Rock als stimmliche Rotzigkeit verkaufen will, erinnert an eine Coverversion einer Coverversion eines Dire-Straits-Songs auf dem Eltviller Weinfest. Unterhielt er früher zumindest mit dreistem Wildern in jedem Plattenschrank und stellte freudig Rap, Country, Rock und Metal nebeneinander, so streckt er auf "Born free" lediglich immer wieder überbordend ideenlose Songs auf fünf Minuten nackte Monotonie. Sogar einem herausragenden Schlagzeuger wie Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers zieht so etwas unwiderruflich den Zahn.
Auch sonst sind aller Druck und Groove dahin, wenn Rock offenbar einen Bingoabend in Nashville beschallen will. Für einen Rockstar von globalen Ausmaßen ist die Engstirnigkeit und Provinzialität dieses Albums schlichtweg eine Frechheit. Einzig die AC/DC-Hommage "God bless Saturday" ragt mit seiner schelmischen Bon-Scott-Variante heraus. Den Schritt, ein reines Country-Pop-Rock-Album aufzunehmen, kann man für mutig halten - der Versuch, all das als selbstkritische Nachdenklichkeit zu verkaufen, ist in seinem Draufgängertum allerdings gnadenlos zum Scheitern verurteilt. Country sei der Blues der Weißen, meinte Rock einmal - doch an "Born free" wird wohl bloß der White Trash seine Freude haben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- God bless Saturday
Tracklist
- Born free
- Slow my roll
- Care
- Purple sky
- When it rains
- God bless Saturday
- Collide
- Flyin' high
- Times like these
- Rock on
- Rock bottom blues
- For the first time (in a long time)
Referenzen
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