Miles Benjamin Anthony Robinson - Summer of fear

Saddle Creek / Cargo
VÖ: 12.11.2010
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Klagemauer

Von den Narben und Wunden, dem Leid und Versagen des Miles Benjamin Anthony Robinson wurde bereits ausführlich berichtet. Seine ureigene Abwärtsspirale durchbrach er mit zehn Liedern, gebündelt auf dem glorreichen, selbstbetitelten Debüt, das fast allerorts mit Lobhudeleien überhäuft wurde. Klar, Robinson ist nicht einfach nur ein junger Mann. Er ist ein Typ, der dem Abgrund des Lebens bereits ins Gesicht spuckte und wie Phönix zurückkehrte. Mit "Summer of fear" erzählt er nun ein weiteres Kapitel seines Lebens: aufgekratzt, aber nicht gänzlich ohne Selbstbewusstsein. Robinson ist kein aseptischer Songwriter, seinen Liedern wohnt immer auch das Unheil der Welt inne, selbst wenn sie noch so endorphingeladen drängeln.

"Summer of fear" erzählt vom Leben vor der großen Depression, als Robinson zwischen den Polen Liebe, Freundschaft, Zweifel und Selbstaufgabe wandelte, bevor er sich schließlich für die dunkle Seite entschied. Bitterkeit ist eine Pille, und auf diesem Album wird sie zwölffach geschluckt. Dabei quengelt Robinson weniger als der ewige Conor Oberst, er fleht vielmehr, beschwört, lacht sein sarkastisches Lachen. Selbstmitleid ist in homöopathischen Dosen auch erlaubt, eben genau so lange, wie der einzelne Song davon profitiert. Die Nähe zu Oberst manifestiert sich nun auch auf geschäftlicher Ebene, schließlich erscheint "Summer of fear" bei Saddle Creek, dem Vorzeige-Label aus Nebraska. Eine vielversprechende Kombination, so viel steht fest.

Das Album beginnt mit drei wunderbar anachronistischen Stücken, von denen insbesondere die Single "The sound" im Kopf bleibt. Hingehört, lieber Johnny Borrell: So kann man auf Bruce Springsteen machen, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Robinson ist ein pfennigloser Wegelagerer, der in seinem verschmitzten Grinsen eine Menge Weisheit trägt. Das galoppierende "Trap door" flirtet mit der stürmischen Gitarre, die plötzlich ins Szenario stolpert und auch nicht so recht weiß, was hier eigentlich vor sich geht. Solche unbedachten Momente zeichnen Robinson aus: Perfektion ist für Feiglinge, das weiß und beherzigt der 28-jährige US-Amerikaner, als sei es ein moralisches Gebot.

Im sanften Country-Rock von "Summer of fear, pt. 1" stellt er die Frage aller Fragen in der Pop- und Rockmusik: "Why don't you come back?", nur um im zweiten Teil des Songzwillings endgültig mit dem Schicksal zu hadern: "The sun never shines twice on the same skin." Robinsons Bilder sind allerdings keine schwarzmalerischen Untergangsszenarien, denn das Fünkchen Hoffnung ist stets Grundlage des einzelnen Songs. Selbst die elfminütige Klagemauer "More than a mess" lässt ein paar Zentimeter Platz für lichtspendende Klaviertupfer, die sich schüchtern neben Robinsons Sprechgesang platzieren. Wehmut, Wermut, Weltschmerz - drei essentielle Komponenten für die Rezeption dieser Stücke. Bleibt zu hoffen, dass Robinsons Wunden nie verheilen, denn dieser Schmerz fühlt sich richtig an: "Something breaks inside me / Everytime I breathe."

(Kevin Holtmann)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Shake a shot
  • The sound
  • Trap door
  • Death by dust

Tracklist

  1. Shake a shot
  2. Always an anchor
  3. The sound
  4. Hard row
  5. Trap door
  6. The 100th of March
  7. Summer of fear, pt. 1
  8. Death by dust
  9. Summer of fear, pt. 2
  10. Losing 4 winners
  11. More than a mess
  12. Boat
Gesamtspielzeit: 63:27 min

Im Forum kommentieren

Michael

2015-09-05 13:50:39

Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass da eines Tages ein drittes Meisterwerk kommt. Hoffentlich hat er seine Drogengeschichten mittlerweile (besser) im Griff.

The MACHINA of God

2015-09-05 13:18:36

Dachte der macht nichts mehr.

Hubble

2015-09-05 12:40:30

...und fast ein Jahr später hat man immer noch nichts Neues von Miles gehört :-/

saihttam

2014-11-01 21:09:39

Klasse Album!
Und es wäre definitiv mal an der Zeit für was Neues von ihm.

Michael

2014-11-01 16:22:45

Geht mir absolut genauso.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum