Chumbawamba - WYSIWYG
EMIVÖ: 03.04.2000
Anarcho-Pop mit Hund
Mit "WYSIWYG" erscheint nach fast drei Jahren eine neue Scheibe der britischen Anarcho-Combo, deren Diskographie schon fast so lang ist, wie die Liste der von ihnen angezettelten Skandale. "Du kriegst, was Du siehst" lautet der Titel übersetzt. Na gut, wollen wir doch mal sehen (und hören), was wir da bekommen! Erstmal kriegt man ein obszönes Foto zu Angesicht: aus dem netten Hundeköpfchen auf der Vorderseite wird beim Auseinanderfalten des Booklets ein kopulierendes Hundepärchen. Daneben findet man auch noch das Foto eines nackten Hinterns auf der Innenseite der CD-Hülle. Dieses trägt die Aufschrift "From all participating stores", was so etwas wie "An alle Firmen, die mit dem Verkauf Geld verdienen" bedeutet. Die nur scheinbare Beleidigung der Käufer, die darin steckt, dreht sich um und fällt zurück auf die Verkaufsketten, die einen feuchten Dreck auf die Kunden geben und nur auf Profit aus sind. Und da haben wir ihn ja schon wieder, den ausgestreckten Mittelfinger - provozieren wollen die Chumbas also immer noch. Auch die Texte, zu denen die Bandmitglieder wie gewohnt im Booklet ihre Kommentare abgeben, triefen wie gewohnt vor Ironie und Bösartigkeiten.
Die musikalische Umsetzung klingt dagegen alles andere als böse. Harmlos und unaufregend trifft da eher zu, denn "WYSIWYG" ist ein glattgebügeltes Pop-Album. Im Gegensatz zur letzten Platte ("Tubthumper") haben Chumbawamba diesmal die Dancebeats zurückgeschraubt und sich mehr auf Gitarrenarbeit verlegt. Das steht der Band eigentlich nicht schlecht. So rund und melodiös klangen die Briten selten. Die 22 kompakten Songs gehen nahtlos ineinander über und können noch dazu mit Streichern, Bläsern und allerlei Spielereien aufwarten. Die erste Single "She's got all the friends" sei hier als Musterbeispiel genannt. Mit dem "Bee Gees"-Cover "New York mining disaster 1941" haben sie auch gleich noch eine gefühlvolle Reminiszenz an ihr '88er A-capella-Album "English rebel songs" aufgenommen. Leider reicht das alles nicht für ein wirklich gutes Album, denn die meisten Stücke bleiben nicht im Gehörgang kleben. So unauffällig wie die Tracks ins Ohr hineinrutschen, so unauffällig gleiten sie auch wieder heraus. Daran ist wohl auch die durchschnittliche Länge der Songs von gerade mal zwei Minuten schuld. Allzuoft verlieren sich die Chumbas außerdem in klebrigen Melodiebögen und bombastischen Arrangements, die alle kreativen musikalischen Ansätze zunichte machen.
Die Musik-Anarchisten aber nach wie vor ihren Biß nicht verloren. Sie zeigen nur seltener die Zähne. Selbstverständlich wurde die Albumveröfentlichung auch diesmal wieder von einem netten Skandälchen begleitet. Mit "Doom flight 442" hat die Combo nämlich einen Song aufgenommen, der eine Auflistung von Personen, die die Band gerne tot sehen würde, beinhaltet. Darunter finden sich unter anderem unser Kanzler Gerhard Schröder, der englische Premierminister Tony Blair und Microsoft-Chef Bill Gates. Der Track erscheint aber nur auf der "She's got all the friends"-Single und ist nicht auf dem Album enthalten. Hier stellt sich die Frage, ob diese Veröffentlichungspolitik dem "Konzept" der Chumbas dienen soll oder ob dahinter doch nichts anderes als kalkulierte Marketingstrategie steckt. Der Vorwurf des kommerziellen Ausverkaufs lastet ihnen schließlich schon seit Jahren an. Hier sollte aber jeder Käufer selbst entscheiden, inwiefern er der Band Glaubwürdigkeit schenkt. Zusammengefaßt kriegt der Hörer mit "WYSIWYG" jedenfalls ein Album, das inhaltlich nach wie vor typisch Chumbawamba ist, musikalisch aber trotz aller Eingängigkeit nicht so recht überzeugen kann.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hey hey we're the junkies
- I'm coming out
- She's got all the friends
Tracklist
- I'm with stupid
- Shake baby shake
- Pass it along
- Hey hey we're the junkies
- The health & happiness show
- I'm coming out
- I'm in trouble again
- Social dogma
- www dot
- New York mining disaster 1941
- I'm not sorry I was having fun
- Jesus in Vegas
- The standing still
- She's got all the friends
- Ladies for compassionate lynching
- Celebration Florida
- Moses with a gun
- The physical impossibility of death in the mind of Jerry Springer
- Smart bomb
- Knickers
- Lie lie lie
- Dumbing down
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