C.W. Stoneking - Jungle blues

King Hokum / Al!ve
VÖ: 15.10.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Früher später

Tausende Tarot-Karten brennen, Tonnen von Glaskugeln werden entsorgt, und bei Astro-TV nagen die letzten Wahrsagerinnen am Pendel. Das Studio hat längst geschlossen, alle abgedampft. In die Zukunft schauen? Hat längst sein Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. Die Vergangenheit ist der neue Chic. Zahlreiche Touristen überfluten zur Zeit etwa die Zwanziger Jahre und rennen dabei stümperhaft mit ihren Handys auf der Straße rum. Total ausgebucht, quasi das Malle unter den Zeitreisen, diese Zwanziger. Auch C.W. Stoneking ist einer dieser Timetrotter, die sich die Beine in den Bauch gestanden haben. Doch statt in die Metropolen jener Zeit hing er in den abgelegenen Gegenden rum, spürte dabei jede Blues-Note der Zeit auf und sog sie ein. "Jungle blues" erzählt die Geschichten jener Zeit oder wie man sie sich vorzustellen hat. Dampfschiffe, Banjos, zerbeulte Schallbecher und der dichte Dschungel sind da nur die Lockmittel, mit denen C.W. Stoneking in seinen Fiebertraum aus Blues, Folklore und amerikanischer Musiktradition führt.

Vor dem dichten Busch verschwimmen die Farben auf "Jungle blues" automatisch zu einem körnigen monochromen Theater. In "Jailhouse blues" reibt sich Stoneking die Stimme auf. "You hear me singin, down on the bottom of the world." Spätestens bei "Brave son of america" war schon klar, dass diese Reise übel enden wird. Das Banjo schrammelt hier und da, ein paar Saiten einer alten Gitarre werden gezupft. Das Primitive Horn Orchestra ist auf dem Kahn die Blaskapelle, die Stoneking den Rücken frei hält. Im "Jungle blues" türmen sich diese ganzen Scharmützel zu einem Track auf, der vor ein paar windschiefen Möwen-Samples eiert und kurzzeitig vom Nebelhorn davon geblasen wird. Nur an der Oberfläche spielt Stoneking ein paar Maroditäten auf, in Wahrheit geht es um das nackte Überleben. Die Melodien kennen nur eine Richtung, und die ist flussaufwärts, egal, was dort sein wird. Etwas Besseres als den Tod findet man überall.

An keiner Stelle bricht die Geschichte ab, die Stoneking auf "Jungle blues" erzählen will. Die Drums rumpeln authentisch und dröge vor sich hin, die Bläser tanzen um die grollende Tuba. Die Hitze steckt in den ächzenden Tönen von "I heard the marchin of the drums", das sich zur Bedrohung aufpumpen will. An den richtigen Stellen zieht die Nummer an, schraubt sich hypnotisch ins Hirn. Die Liebe ist gebrochen, und der Teufel mit ein paar Scheinen auf Seelenfang. Die Produktion tut ihr übriges, indem sie sich nicht dafür zu schade ist, den Sound jener Zwanziger ein wenig zu polieren und vom Plattenknacksen zu bereinigen. Stoneking ignoriert geflissentlich jeden Einfluss darüber hinaus. Das mag gefallen oder nicht, unauthentisch ist es nie. Das Schauspiel um Stoneking und das Primitive Horn Orchestra braucht diese Rahmenbedingungen, um zur vollen Entfaltung zu kommen. "The greatest liar" streut am Ende noch ein paar Gerüchte, und das Verwirrspiel ist vollkommen. Antworten gibt es auf "Jungle blues" nicht. Es verdreht und stellt sich auf den Kopf. Nostalgie kommt nicht auf. Es ist die Vergangenheit, die sich in ein gegenwärtiges Fieber presst. Und das volle Kraft voraus.

(Björn Bischoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Talkin lion blues
  • Brave son of america
  • Housebound blues

Tracklist

  1. Jungle blues
  2. Talkin lion blues
  3. Jungle lullaby
  4. Brave son of america
  5. Jailhouse blues
  6. Housebound blues
  7. I heard the marchin of the drum
  8. The love me or die
  9. Early in the mornin
  10. The greatest liar
Gesamtspielzeit: 40:20 min

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