The Blue Angel Lounge - Narcotica

8 MM / Cargo
VÖ: 29.10.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schmerz lass nach

Das Greenwich Village in New York war in den 1960er Jahren eines jener Viertel, in dem verschiedene Stile vermischt wurden. Es pulsierte und wirkte stimulierend auf viele Künstler. Kein Wunder ist es daher, dass ausgerechnet die kreativste New Yorker Band The Velvet Underground dort ihre Karriere begann. Jeder konnte es schaffen. Differenz war derart indifferent, dass selbst Christa Päffgen aka Nico in New York ihre zweiten Gehversuche unternahm. Herausragende Bedeutung für Nico beanspruchte hingegen die Blue Angel Lounge in Manhatten, deren Faszination die gleichnamige Band aus Hagen seit 2004 aufgreift. Es ist sicherlich kein ungefährliches Unterfangen, die wilden Zeiten aus New York in die nordrhein-westfälische Provinz zu transportieren, doch sollte sich ein jeder Hörer darauf einlassen.

Im zweiten Album des Sextetts "Narcotica" ist allerdings nicht nur das New York der 1960er Jahre zu vernehmen, sondern auch die Zeit etwa zwanzig Jahre später, als britische Bands diesen rauhen, teils verstörenden Sound wieder aufgriffen. Ganz vorne dabei The Jesus & Mary Chain. "Delete my ideals" und "Darklands" sind dann auch zwei Stücke, die mehr Post Punk gar nicht vertragen hätten. Ersteres ist noch eher bei Joy Division und ziemlich kaputt. Letzteres ist ein shoegaziges Instrumental und sicher nicht ganz zufällig nach The Jesus & Mary Chains zweitem Album benannt. Die Monotonie schaukelt sich hier schnell zur Manie auf und deutet Clubtauglichkeit für orientierungslose Großstadtwohlstandskinder an. Bei beiden wirkt im Übrigen Anton Newcombe von The Brian Jonestown Massacre mit.

Das bedeutet keineswegs, dass "Narcotica" zuhause in der warmen Stube nicht funktioniert. Und spätestens nach dem dritten Hördurchgang wird überdeutlich, weshalb dieses Album so heißt, wie es eben heißt. Narkotika wirken schmerzunterdrückend, wie jeder weiß, der einmal unter Narkose stand. Auf "Narcotica" setzt die Schmerzunempfindlichkeit zum Glück jedoch gemächlich ein. Zunächst bemerkt der Hörer und der Tänzer noch, wie die Gitarren und die Drums durch den Körper fahren und einen Stachel setzen. Die Dynamik wird jedoch ab und an bis an die Schmerzgrenze gesteigert, so dass es geradezu wohltuend ist, wenn die Organe beim zweiten und dritten Durchgang nicht mehr so recht unter Kontrolle zu bringen sind.

"Wir sind hier nicht in New York, Lou", könnte man abschließend passend anfügen, doch es wäre unfair, Musik stets mit Orten zu assoziieren und sie gar auf bestimmte Orte zu reduzieren. Die Welt wird jetzt gewiss nicht nach Hagen pilgern, aber einmal nachfragen, wo um Gottes Willen dieses Hagen denn liegt, könnte man ja mal. Und wenn das wieder an Joy Division erinnernde "New Ghandi" mit seinem wabernden Sound und Tambourinschlägen den Abschied dieses Albums andeutet, und der psychedelische Spacerocker "I will never" selbiges ehrwürdig und endgültig beendet, sollte niemand mehr nach der Herkunft fragen, sondern sich darüber im Klaren sein, dass Musik über Grenzen hinweg verbindet.

(Carsten Rehbein)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Caught crow
  • Delete my ideals
  • Darklands

Tracklist

  1. Narcotica
  2. Caught crow
  3. Bewitch my senses
  4. Son of the ocean
  5. Corona
  6. Delete my ideals
  7. Secure existence
  8. Street and exile
  9. Darklands
  10. New Ghandi
  11. I will never
Gesamtspielzeit: 45:04 min

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