Trip Fontaine - Lambada
Staatsakt / Rough TradeVÖ: 22.10.2010
Federn gelassen
Sie waren nahe dran. Als Trip Fontaine 2008 ihre "Dinosaurs in rocketships"-Platte in unseren CD-Player stopften, müssen sie es auch gewusst haben: Das konnten sie sich trauen, ein Verriss war ausgeschlossen. Schließlich passiert es nicht alle Tage, dass eine kleine Band an die großen Vorbilder herankommt, die für Trip Fontaine vor allem aus dem Washington D.C. der 80er und 90er-Jahre stammen. Sie waren verspielt wie Girls Against Boys, herausfordernd wie Fugazi und doch so eingängig, dass der Redaktions-Papagei noch heute die komplette Platte pfeifen kann. Wenn er nicht gerade "Supergirl" von Reamonn in die Verlängerung schickt, die nicht mal mehr der unparteiischste Musikfreund ertragen wollte. Oder wenn er nicht soeben dem Chef die besten Pilze aus der Pizrahmsuppe pickt.
Jedenfalls: Das war gestern. Heute tanzen Trip Fontaine den "Lambada". So heißt ihre neue Platte, und die hat trotz des Namens und des Urlaubs-Covers wenig mit ausladenden Hüften, faulem Sambazauber und kurzlebigen Sommermärchen zu tun. Wer sich mal auf Abenteuerreise durch Trip-Fontaines Diskographie begeben hat, hätte das auch ohne diese Zeilen zumindest ahnen können. Denn fordernd ist diese Band bis heute geblieben, länger haltbar als manches Ein-Hit-Wunder ebenso. "Lambada" macht da keine Ausnahme: Gleich im ersten Stück "I'll gain eternal life" nötigen Trip Fontaine eine Orgel, die verdammt verdächtig nach Bontempi klingt – und jubeln D.C.-Core Refrains und Rhythmen unter, die keine Berührungsängste kennen. Schön verspulte Musik also, wie immer. Allerdings gibt es auch ein"Aber". Dazu gleich mehr, versprochen.
Würde man "Lambada" stückeln wie einer dieser Film-Trailer, die sogar Kassengift wie Blockbuster aussehen lassen, Hochgeschwindigkeits-Schnitte, bärbeißige Erzähler-Stimme aus dem Off und Explosionen inklusive, würde "Lambada" so gut aussehen wie "Dinosaurs in rocketships", mindestens. Schließlich sind gewisse Stellen auf dieser Platte so intensiv, dass man sie besser nicht vor dem Einschlafen auflegen sollte. Die erste Halbzeit von "Bobo blues" ist ein Unruhestifter, der Noiserock schon zum Frühstück putzt. Das Ende von "Sparkles" könnte mit seinen Glöckchen, die auf Ohrwurm treffen, jedes 20-Mann-Publikum lauter als die Südtribühne vom Westfalenstadion drehen. Und den "Muskelschweden", diesen schwergewichtigen Brocken, Wüterrich und Schwerenöter, den würden wir nicht mal unseren ärgsten Konkurrenten auf den Webserver wünschen.
Aber: Das sind Momentaufnahmen. Dazwischen sind Trip Fontaine schlicht auch mal nur ganz gut. Das beste an "Mario Basler" etwa, einer Indie-Revue quer durch "Oooh", "Ooooh" und Luftikus-Schlagzeug, ist sein Name, "The latest type of the flu" ist ein netter Postcore-Song, "No guts" ein durchschnittlicher. So hangeln sich Trip Fontaine auf "Lambada" an all diesen Songs entlang, von denen nicht alle so hittig sind, wie sie auf dem Bauplan bestimmt noch ausgesehen haben. Trotzdem eine sehr nette Platte. Hat ja auch sein Gutes: Hat der Mistvogel eben mehr Zeit für sein "Supergirl". Oder "Dinosaurs in rocketships".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Muskelschwede
- Sparkles
Tracklist
- I'll gain eternal life
- No guts
- The latest type of the flu
- Bobo blues
- Wit taker
- New sweater
- Muskelschwede
- Mario Basler
- Take it easy, Karsten
- Doom
- Sparkles
Im Forum kommentieren
Kristian
2010-10-30 11:18:06
Die müsste ich mir ja allein schon wegen ihres Bandnamens mal zu Gemüte führen, da "The Virgin Suicides" eines meiner Lieblingsbücher ist. Trip Fontaine ist ein ziemlich slicker Character aus diesem Buch, der meinen vollen Respekt hat. Nur für einen Halbstarken namens Dominic Palazzolo hege ich noch mehr Bewunderung in diesem wunderbaren Roman von Eugenides. Der möchte sich aufgrund einer gescheiterten Liebe im Alter von 13 oder 14 Jahren vom Hausdach stürzen. Als er jedoch mehr oder weniger sanft in den Büschen landet, flucht er kurz sehr italienisch, und geht dann wieder in die Schule. Gibts eine Band, die "Dominic Palazzolo" heißt?
witty
2010-10-28 21:40:52
Mag die Vorgänger auch lieber, trotzdem gutes Album und live sowieso sowas von sehenswert.
Wie bei allen bisherigen Alben wieder ein Knaller-Track zum Abschluss der Platte. Großartig.
Bonanza
2010-10-24 18:30:50
Im Kafe Kult war ich auch, habe mir aber anhand des Live-Eindrucks doch lieber die neue von Kenzari's Middle Kata geholt. Die Lambada werd ich natürlich noch nachholen. Gibt's hier eigentlich noch ne Rezi dazu??
Magoose
2010-10-23 23:19:40
Gefällt mir nicht so gut wie Lilith und DiR. Die ersten 4 Tracks sind allesamt stark, leider fällt das letzte Drittel der CD stark ab.
Naja mal die neue Escapado hören...
Mark
2010-10-15 10:11:20
Ja, gute Scheibe. Habe die Jungs neulich im Kafe Kult gesehen und mir das Album gleich vor Ort gekauft. Macht definitiv mindestens genau so viel Spaß wie "Dinosaurs in Rocketships".
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