Ten Kens - For posterity

Fat Cat / Rough Trade
VÖ: 03.09.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die schlechtere Hälfte

"Wir haben die Rockmusik von unseren Kindern nur geliehen." Falls irgendwann einmal ein Zettel mit dieser Aufschrift bei Ten Kens aus Toronto an der Wand gehangen haben sollte, ist er sicher schon längst unters Fußvolk geraten. Oder so vergilbt, dass ihn niemand mehr lesen kann. Denn es hatte schon einiges von einem musikalischen Trümmerbruch, was das Quartett vor knapp zwei Jahren auf seinem Debüt veranstaltete. Grunge konnte man das jedenfalls nicht mehr nennen, zumindest nicht, ohne ihn vorher durch Stahlbäder aus Distortion, bewusster Dekonstruktion und grimmigem Pessimismus gezogen zu haben.

Nicht genug damit, dass der anfängliche Trommelwirbel von "Johnny Ventura" atemlos hetzende Riffs vor sich hertreibt und mitten im Song tot umfällt - bevor man richtig durchatmen kann, geht alles wieder von vorne los, und bereits nach nicht einmal fünf Minuten ist es da, das gleiche Heiß-Kalt-Gefühl, das auch Liars an den Beginn von "Sisterworld" stellten. Und dann ist eigentlich schon alles zu spät, denn Ten Kens nehmen den Hörer nicht nur kräftig auf den Arm mit den spitzen Ellenbogen, sondern lassen ihn auch nicht mehr runter.

Es ist dafür völlig egal, ob sie die Songs von "For posterity" mit brachialen Riffs vollpflastern und die Ohrenschrauben immer fester anziehen oder sich Zeit lassen, um trügerische Friedensangebote zu unterbreiten, bei denen das dicke Ende aber so unausweichlich ist wie das böse Erwachen nach dem Genuss eines schweren, hochprozentigen Gesöffs. Bei "Back to benign" könnte man sich sogar ansatzweise wohl fühlen, wenn der Bass gemütlich vor sich hin pumpelt und man glaubt, Kurt Cobain etwas wie "Sell the kids for food" aus dem Jenseits herübernuscheln zu hören. Doch auf dem Fuß folgen gespenstische Background-Vocals und schmerzverzerrte Riffs. Immer auf dieselbe Stelle.

Dass "Insignificant other" eingangs scheinbar nichts weiter sein will als ein hektischer Noise-Rock-Brocken mit Falsett-Aufsicht, hindert den Song nicht daran, plötzlich einen Break zu setzen, dessen Dissonanzen garantiert jede bessere Hälfte dauerhaft verschrecken. Die kommt bestimmt nicht wieder. Auch nicht, wenn es danach wie zuvor weitergeht, das Titelstück eine versöhnliche Annäherung an handelsüblichen Indie-Rock versucht und "Screaming viking" Jimmy Eat Worlds "Bleed American" nachmodelliert, wobei der Chor es allerdings mit dem Kosaken-Kaffee hoffnungslos übertrieben hat.

Und irgendwann kommt es dann nicht mehr darauf an. Nicht darauf, ob "Grass master" einem in seinen nicht einmal zweieinhalb Minuten so viel entfesseltes Geschrei und vernichtenden Hardcore-Lärm vors Fressbrett zimmert, dass selbst Steve Albini in seinen härtesten aktiven Tagen die Ohren angelegt hätte. Oder ob der durch die Echomangel gedrehte Twang von "Style wars" das Hirn mit absonderlichem Groove zernagt und von der monoton durchlaufenden Drummachine in eine unheilvolle Endlosschleife geschickt wird, in der keine bessere Hälfte der Welt mehr helfen kann. Wozu auch? Man hat ja Ten Kens und dieses ungemein dichte, ständig ruppig von hinten drängelnde Album. Das muss reichen. Und bestimmt nicht nur für heute.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Back to benign
  • Insignificant other
  • Grass master
  • Style wars

Tracklist

  1. Johnny Ventura
  2. Back to benign
  3. Insignificant other
  4. For posterity
  5. Screaming viking
  6. Summer camp
  7. Grass master
  8. Style wars
  9. Hard sell
  10. Welfare green
  11. Yellow peril
  12. Can't not be dark
Gesamtspielzeit: 51:18 min

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