Major Parkinson - Songs from a solitary home
Waggle Daggle / Broken SilenceVÖ: 15.10.2010
Irre sind menschlich
Das Ganze schreit mittlerweile geradezu nach einer wissenschaftlichen Untersuchung. Ob es am Wetter liegt? Immerhin ist Bergen die regenreichste Großstadt Europas. Da müssen die Leute doch irgendwann verrückt werden. Irgendeinen Grund muss es jedenfalls dafür geben, dass die zweitgrößte Stadt Norwegens scheinbar im Alleingang die durchgeknalltesten Bands des Landes hervorbringt. Schon seit einem guten Jahrzehnt trommeln sich Kaizers Orchestra auf Ölfässern durch die ganze Welt, und nun versuchen sich auch die Kollegen von Major Parkinson mit einem Sound-Cocktail jenseits von Gut und Böse an der Eroberung derselben.
"Songs from a solitary home", der Zweitling des Sechs-Mann-Ensembles, klingt nach einer Menge Vorstellungskraft. Besser gesagt ungefähr so, als hätten die Jungs sich eine Jamsession unter Beteiligung von Frank Zappa, Tom Waits, Mike Patton und Serj Tankian vorgestellt - und anschließend versucht, die dort entstandene Musik nachzuspielen. Wer um die Beziehung der vier genannten Herrschaften zu Genregrenzen weiß, wird sich vorstellen können, dass auch Major Parkinson nicht im Traum daran denken, sich an musikalische Regeln zu halten. Erstaunlicherweise klingt "Songs from a solitary home" trotzdem nie wie das Machwerk einer Band, die anders klingen will, nur um eben anders zu klingen.
Nein, vielmehr fügen sich bei Major Parkinson so verschiedene Elemente wie Saloonklavier, überdrehte Polkagrooves, ein Streichorchester auf Kokain, Dixie-Bläser und saftige Gitarrenriffs zu einem völlig stimmigen Gesamtbild zusammen. Ohne den passenden Sänger wäre das alles natürlich nichts wert. Glücklicherweise haben die Norweger aber John Ivar Kollbotn zu bieten, der das Kunststück fertigbringt, sich abwechselnd anzuhören wie der Märchenonkel aus dem Kinderfernsehen und wie der Leibhaftige auf Kneipentour. Und der so das grotesk-kranke Puzzle aus dem Hause Parkinson vervollständigt. Der Hörer gewöhnt sich schnell daran, dass er nie wissen kann, was ihn nach dem nächsten Break erwartet. Sicher ist auf "Songs from a solitary home" nur der hohe Unterhaltungswert der dreizehn Songs.
"Solitary home" etwa hat ordentlich Hummeln im Hintern und einen zupackenden Refrain, in dem nacheinander Marlon Brando, Humphrey Bogart und Joe DiMaggio gedroppt werden. Direkt danach twangt sich "Teenage mannequins" den Wüstenstaub von den Stiefeln, um auf der Tanzfläche eine gute Figur zu machen. Wer dachte, das Maximum an Abgedrehtheit wäre schon erreicht, darf sich von der Bläser-Metal-Bestie "Simone!" und dem Boogie-Woogie-Psychogramm "The age of the paranoia" eines Besseren belehren lassen. Selten machte der Trip ins Irrenhaus so viel Spaß wie in dieser dreiviertel Stunde Anschauungsmaterial aus Nordeuropa.
Schwache Songs sucht man in dieser Klapse vergeblich. Die streichergetränkte Neurosen-Ballade "Dance with the cookie man" trifft ebenso ins Schwarze wie der Tanzbodenfeger "Heart of hickory" oder das explosive "Trampoline superstar". Wegen seiner grotesken Atmosphäre ist das Album zunächst schwer zu greifen und gewiss nicht für Musikhörer geeignet, die eher auf nüchterne, aufgeräumte Klänge stehen. Wer sich aber auf diesen Trip einlässt, findet vielleicht sein persönliches Lieblingsalbum des Jahres.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Solitary home
- The age of the paranoia
- Dance with the cookie man
- Heart of hickory
Tracklist
- Ecophobia
- Solitary home
- Teenage mannequins
- Simone!
- Card boxes
- The age of the paranoia
- Dance with the cookie man
- Trampoline superstar
- Downtown boogie
- Heart of hickory
- Domestic violets
- Adville
- The transient
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