Graham Coxon - Crow sit on blood tree

Railroad Tracks / EMI
VÖ: 30.11.2001
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Barrel of a gun

"Die im Schatten wandern, sieht man nicht" heißt es, und wie schade dies sein kann, zeigt das Beispiel von Graham Coxon. Der Blur-Gitarrist veröffentlicht sein bereits drittes Solo-Album, und anders als bei Kollege Damon Albarn, der mit seinen Gorillaz kürzlich die Charts im Nu von hinten aufgerollt hat, ist ein Weiterleben ohne Dauerbeschallung in sämtlichen Massenmedien durch Graham Coxon nicht nur vorstellbar, sondern mehr als wahrscheinlich. "Crow sit on blood tree" wird statt in die Hitlisten eher in die düsteren Ecken des lokalen Plattenhändlers wandern und von diesem höchstens dann herbeizitiert und laut aufgedreht, wenn der nervige junge Bengel mit England-Shirt und Topfhaarschnitt dem Dealer mal wieder zu sehr auf den Wecker geht.

Coxon macht alles anders als Albarn - ob besser, muß jeder für sich selber entscheiden. Während der Blur-Beau sich hinter Comicaffen versteckt und musikalisch die breiten Massen angeht, öffnet der schlacksige Gitarrist sich schonungslos seinem Publikum, das nicht allzugroß ausfallen wird. Ein Album, das wie "Crow sit on blood tree" in nur zwei Wochen aufgenommen wurde und sich ausschließlich den Brüchen im eigenen Lebenslauf widmet, ist eine hohe Hürden für all jene, die nach Kaffee & TV lechzen. Andererseits könnte es eine große Erlösung für jene bedeuten, die ihren ganz persönlichen Weltschmerz in den Wandlungen von Graham wiederfinden.

Bereits Songtitel wie "Empty word", "All has gone" und "Thank god for the rain" lassen erahnen, daß hier jemand eine schwere Krise durchmacht. Auch musikalisch wählt Coxon die Katharsis und beschreitet den Mittelweg zwischen der melancholischen Träumerei seines Debüts "The sky is high" und den derben Punkeskapaden von "The golden D". Zwischen selbstvergessenem Klampfen und ungezügelter Explosion schnoddert er Geschichten über Schmerz und Verlust ins Micro. Kämpft, wenn er muß und verliert, wenn er kann. Immer wenn man gerade den Notarzt rufen will, um den traurigen Jungen weg von der Klampfe zu bekommen und schleunigst an die blinkende Kreislaufmaschine zu hängen, blitzt es in diesem auf, und er beweist eine Power, daß selbst dem alten Iggy die Lederhose schlackert.

Bei aller Sperrigkeit könnte "Crow sit on blood tree" genau das richtige Rezept zum Troste verlorener Seelen an einem verregneten Freitag dem 13. sein, die ansonsten nur noch mit Magenbitter über den gleichzeitigen Verlust von Freundin, Wagen und Job hinwegkommen. "Crow sit on blood tree" ist eine 50-minütige Therapie-Sitzung in der Selbsthilfegruppe, die beliebig den Schmerz in sich aufsaugt, ihn absorbiert und sichtbar macht. Wer stark genug ist, kann aus der Reflexion neue Kraft ziehen, alle andere lesen besser die Packungsbeilage oder fragen ihren Arzt oder Apotheker.

(Thorsten Thiel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Empty word
  • Too uptight

Tracklist

  1. Empty word
  2. I'm goin away
  3. All has gone
  4. Burn it down
  5. Too uptight
  6. Big bird
  7. Tired
  8. Hurt Prone
  9. Bonfired
  10. Thank god for the rain
  11. You never will be
  12. A place for grief
Gesamtspielzeit: 50:35 min

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