I Like Trains - He who saw the deep

ILR / Cargo
VÖ: 29.10.2010
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Verfallsucht

Morgens macht die Freundin Schluss. Mittags fällt man durch die Zwischenprüfung. Abends springt das Auto nicht an. Man steht da im Regen, heult wie ein Schlosshund, tritt gegen die Reifen und schleppt sich ins Bett. Für diese Tage, für das persönliche Drama, waren I Like Trains schon immer die Band der Stunde. Da schultert jeder Ton die ganze Last der Welt, jede Note steht für die Ungerechtigkeit des Lebens, alles ist zentnerschwer, stockdunkel, existenziell. Der einzige Trost zwischen Demütigung und Demut sind diese vier Männer aus Leeds, die, stets in Beerdigungsstimmung, eine Kerze aufstellen. Für jeden.

"Your heart will have a hard time", flüstert David Martin im gespenstischen, unendlich schönen "Broken bone" und gibt damit das Motto vor: "He who saw the deep" fließt durch den Körper wie schwarze Tinte. Alles wird eingefärbt: Die Gedanken, die Stimmung, der Gesundheitszustand, das Leben, das Universum. I Like Trains sind die großen Nihilisten in der europäischen Musiklandschaft. Das haben sie auf "Elegies to lessons learnt" bewiesen und mit ihren EPs unterstrichen. Sie führen das nun weiter, obwohl die Vorzeichen heller strahlten.

Die Single "A father's son" schien als euphorischer, freundlicher Vorbote auf eine neue Grundstimmung hinzuweisen. Martin sang die ersten Zeilen der Strophe wie ein milder Bob Dylan, und auch die Gitarre war guter Laune. Doch das war eine Finte. Kompositionen wie das federleichte "We saw the deep" sprechen die klare Sprache der Verzweiflung. Das nicht fassbare "Doves" kommt aus den Tiefen einer nebeligen, ungemütlichen, klammen Welt hervorgekrochen, und das wütende "Progress is a snake" spritzt aus einer eiternden Wunde wie Wasser aus einem Hydranten. Es bleibt also dabei: Die Musik von I Like Trains lässt sich nur mit einigermaßen geerdetem Seelenzustand unbeschadet überstehen.

Diese schwere, düstere Welt ist anziehend, faszinierend. Sobald das Schlagzeug im einigermaßen versöhnlichen "When we were kings" den Takt aufgenommen hat, und Martin mit seinem verführerischen Bariton die ersten Zeilen singt, ist der Hörer "He who saw the deep" verfallen. Er wird in diese traumatische Welt hineingezogen wie in einen unbarmherzigen Strudel. Er richtet sich in dieser Welt ein, bettet sich auf Gewitterwolken. Bis nach dem weißen Rauschen von "Doves" endlich Stille herrscht. Und man sich erholt und erleichtert fühlt. Beinahe glücklich. In einer gerechten Welt wären Editors, Interpol und alle anderen nicht der Rede wert. Aber, ach, eine gerechte Welt? Wer kann das schon?

(Christian Preußer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • We saw the deep
  • Hope is not enough
  • Sirens
  • Broken bone

Tracklist

  1. When we were kings
  2. A father's son
  3. We saw the deep
  4. Hope is not enough
  5. Progress is a snake
  6. These feet of clay
  7. Sirens
  8. Sea of regrets
  9. Broken bone
  10. A divorce before marriage
  11. Doves
Gesamtspielzeit: 50:32 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2011-01-30 19:59:35

also das konzert in Frankfurt vor ner woche fand ich auch ziemlich gut! die jungs waren sau sympathisch, man konnte sich nach dem Auftritt noch mit ihnen unterhalten und sie ham auch das ganze merchandising zusammen mit den Delay Trees selbst gemacht. die fand ich als vorband übrigens auch ziemlich überzeugend!

...

2011-01-22 12:14:53

Ein sehr schöner Auftritt, sowohl von den 'Delay Trees' als auch von 'I like trains' gestern in Hamburg.

saihttam

2011-01-21 00:16:01

in weniger als 3 tagen in der Brotfabrik!! ich freu mich =)
geht sonst noch jemand hin?

@MasterOfDisaster69

2011-01-19 16:43:23

Geh doch auf eine solch offensichtliche Trollerei gar nicht erst ein.

Wobei der Troll immerhin nicht den elendigen Joy-Division-Vergleich ausgepackt hat. ;)

MasterOfDisaster69

2011-01-19 16:40:26

Ist schon traurig, dass hier so viele anonyme Arschloecher ihre Muell-Kommentare posten koennen.
@Anonym: Ich weiss, Deine Ex, die dich gerade verlassen hat, liebt diese Bands. Kopf hoch, alles wird gut...
Ich finde, alle 3 vertreten einigermassen wuerdig das Joy-Division-Erbe:
Reihenfolge:
The National
I Like Trains
Interpol

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