Bryan Ferry - Olympia

Virgin / EMI
VÖ: 22.10.2010
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der alte Sportsfreund

Es ist manchmal eine gute Prämisse, zunächst an die anderen zu denken und erst dann an sich selbst. Und außerdem oft sinnvoll, Coverversionen den Vorzug vor eigenen Songs zu geben, wenn einem die Ideen ausgehen oder man sich Freiräume schaffen will. Bryan Ferry kann bekanntermaßen beides: grandiose Lieder schreiben und sich die anderer Leute zu eigen machen. Ganz genau kann man es bei ihm aber nie wissen: So brillant ihm Bob Dylans "A hard rain's a-gonna fall" auf seinem Solodebüt "These foolish things" gelungen war, so missraten war seine Ansammlung an Coverversionen auf "Dylanesque".

Bis auf Tim Buckleys "Song to the siren" und die eher unbekannte Traffic-Single "No face, no name, no number" aus dem Jahr 1968 präsentiert der Ex-Frontmann von Roxy Music auf "Olympia" diesmal nur eigene Songs. Und man kann ganz unolympisch behaupten, dass Dabeisein hier nicht alles ist. Im Gegenteil: Ferry hat schon bedeutend Schlechteres abgeliefert. Jede Note fügt sich in die andere, alles wirkt harmonisch, gar versöhnlich, wird aber nie zu einer homogenen Masse. Der Auftakt mit "You can dance" könnte eine Fortsetzung von Roxy Musics "For your pleasure" mit anderen Mitteln sein: Flea von den Red Hot Chili Peppers fährt ordentlich Bass auf und trägt maßgeblich zu einer gelungenen Eröffnungsfeier bei. "Alphaville" reißt die Messlatte dann zum ersten Mal: Hier hat Ferry mit Brian Eno an den Synthies, ein paar Geigen und sonstigen Gimmicks ziemlichen Kitsch fabriziert.

Das fünfminütige "Heartache by numbers" hat jetzt zwar einen traurigen Titel, gibt aber immerhin einen respektablen 800-Meter-Lauf ab. Der Sprint im Refrain ist großartig, und sogar die Scissor Sisters dürfen an den Reglern mittun und professionelle Elektronik beisteuern. Doch legen wir einen Zwischenstopp ein und betrachten die Äußerlichkeiten: Kate Moss auf dem Cover mutet im Vergleich zu den alten Roxy-Music-Artworks geradezu bieder an, doch musikalisch wagt Ferry mehr und holt sich seit Jahren sogar wieder seine komplette Ex-Band mit ins Boot. Bei "BF bass (Ode to Olympia)" und "Song to the siren" sind Phil Manzanera, Andrew Mackay und Eno ganz vorne dabei. Gerade Letzteres ist zwar nicht annähernd so tiefgründig und ergreifend wie einst die Version von This Mortal Coil, aber es sind die einfachen Mittel, die hier aufs Treppchen führen. Und auch Radioheads Johnny Greenwood darf kurz einmal an der Gitarre winken.

Zurückhaltung war sicherlich noch nie eine Zier, die auf die Mitglieder von Roxy Music zutraf - dafür waren und sind die Egos einfach zu groß. Gut, dass Ferry auf "Olympia" auch einmal das Gegenteil beweist und sich die letzten beiden Stücke in angenehmer Zurückhaltung üben: Vor allem das abschließende "Tender is the night" ist eine himmlische Ballade, wie sie Ferry schon lange nicht mehr hinbekommen hat und die zeigt, dass er sowohl Einzelkämpfer als auch Teamplayer ist. Und so geht "Olympia" schließlich als gutes Album über die Ziellinie. Wenn auch nicht als Weltjahresbestleistung.

(Carsten Rehbein)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • You can dance
  • Heartache by numbers
  • Tender is the night

Tracklist

  1. You can dance
  2. Alphaville
  3. Heartache by numbers
  4. Me oh my
  5. Shameless
  6. Song to the siren
  7. No face, no name, no number
  8. BF bass (Ode to Olympia)
  9. Reason or rhyme
  10. Tender is the night
Gesamtspielzeit: 49:19 min

Im Forum kommentieren

gut

2011-11-27 00:09:42

Geile Scheibe muss ich sagen

kingsuede

2011-03-02 20:21:03

Hätte aus heutiger Sicht durchaus auch eine 7/10 sein dürfen.

Gordon Fraser

2011-03-02 20:19:39

Kannte Ferry noch gar nicht, aber "You Can Dance" hat mir auf Anhieb gefallen.

night porter

2010-11-05 09:41:49

Überraschend homogenes Album von Ferry, dessen einziger wirklicher Ausfall diese furchtbar öde Traffic-Nummer ist (mal wieder haperts bei einer Cover-Version, dafür gelingt aber Buckleys Song to the siren)
Zudem sind mit Heartache by numbers und Me oh my einige große Ferry-Songs vertreten. Die erste Hälfte des Albums ist fast so gut wie die Mamouna und die zu einem Großteil der Ferry-Alben fest dazugehörende, nervige Skipperei bleibt weitgehend aus. Mehr kann man da eigentlich nicht erwarten.

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