Escapado - Montgomery Mundtot

Grand Hotel van Cleef / Indigo
VÖ: 22.10.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wer schreit, hat Recht

Wenn sich die Hälfte einer Band entscheidet, den Hut zu nehmen, dann ist das meistens auch gleichbedeutend mit dem Aus. Und wenn dann noch der Sänger unter den Flüchtenden ist, ist die Sache meist klar. Escapado aus Flensburg ließen sich jedoch nicht dadurch aus der Bahn werfen, dass Frontmann Helge Jensen und Bassist Gunnar Vosgröne sich 2009 verabschiedeten. Stattdessen verpflichtete man mit Felix Schönfuss einen Bassisten, den man nach kurzer Zeit zum neuen Sänger bzw. Shouter beförderte, und mit Johannes Gelhorn schließlich einen neuen Mann am Bass, um den Vierer wieder zu komplettieren. Und was steht am Ende dieses Bäumchen-wechsel-Dich-Spiels? Eine passionierte Band, die mit ihrem dritten hervorragenden Album nahtlos an die letzten Jahre anschließt.

Trotz dieser bedeutenden Umwälzungen im Bandgefüge verändern Escapado mit "Montgomery Mundtot" nicht allzuviel. Zum Glück. Auch das dritte Studioalbum besticht durch eine kraftvolle Mischung aus hemmungslos zerfetzendem Gitarrengebratze, emotionaler Eindringlichkeit und diesen wunderbaren Melodien in all dem aggressiven Chaos, die sich manchmal allerdings erst nach und nach herausschälen. Um "Montgomery Mundtot" wirklich lieben zu lernen, muss man auch dieser Platte ein paar Anläufe eingestehen. Erst dann zeichnet sich ab, wie schön und fragil die Songs hinter der anstrengend intensiven Screamo-Wand tatsächlich sind. Anstrengend, weil wer lässt sich schon gerne 35 Minuten am Stück anschreien? Zugegeben: Das ist natürlich dem Genre geschuldet und nichts wirklich Neues. Aber auf diesem Niveau und mit dieser textlichen Kraft in Deutschland wahrscheinlich einzigartig, da hat unser aller liebster Labelchef Thees Uhlmann wohl recht. Auch wenn manch langjährigem Connoisseur die warme, herzliche Produktion von Blackmails Kurt Ebelhäuser gegen den Strich gehen könnte. Zu Unrecht, denn "Montgomery Mundtot" ist eine sehr homogene, reife und nachvollziehbare Platte geworden.

Trotz dieser Homogenität stechen einige Songs heraus. "Gezeichnet" ist das markanteste Stück, weil es die beiden Extreme aus Brachialität und Melodiösität am besten miteinander verwebt und so etwas wie der Hit der Platte ist. Gleich darauf zieht "Weil es so einfach ist" die Schrauben wieder etwas mehr an und versprüht dabei eine grandiose Tom-Morello-Funkyness. Und nicht zuletzt das Instrumental "Sphären", das, obwohl es ohne agitatorisches Zeter und Mordio auskommt, vielleicht das atmosphärisch eindringlichste Stück geworden ist. Doch im Grunde sind sämtliche Songs tipptopp geraten. Es sind diese wenigen Verschiebungen im Sound, die kleinen schrubbeligen Ecken und Kanten, die "Montgomery Mundtot" vom bisherigen Schaffen etwas abheben. Oder wie schreit es Schönfuss in "Gezeichnet" heraus? "Wohin es auch geht, der Irrsinn geht mit." Ganz genau.

(Kai Wehmeier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Gezeichnet
  • Weil es so einfach ist
  • Sphären

Tracklist

  1. Petenwell
  2. Montgomery Mundtot
  3. Gezeichnet
  4. Weil es so einfach ist
  5. Freiraum
  6. Viola del poteus maximus
  7. Sphären
  8. Die Elite setzt sich durch
  9. Ferngesteuert
  10. Durchatmen
  11. Zwischen den Profilen
Gesamtspielzeit: 36:31 min

Im Forum kommentieren

abcdef

2015-02-11 14:58:07

Escapado gibt es nicht mehr. Helge singt bei Grand Griffon. Ist so Post Punk. Zweiter Sänger aktuell bei ADAM ANGST. Ist auch so Geschrei. Vorher schrie zweiter Sänger schon bei Frau Potz. Hoffentlich hält er dieses mal länger als nur ein Album durch.

toolshed

2010-11-07 11:50:16

Metal + 1

Incompado

2010-11-07 11:35:28

Nervtötender Metal-Hardcore, mehr ist das nicht.

toolshed

2010-11-07 07:58:27

Das sind andere Escapado

Ja, dummerweise bringt eine Umbesetzung genau das mit sich.

antwort

2010-11-06 14:01:48

Berlin war bis 1989 was besonders - seitdem ist es nur noch eingebildet was besonderes

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