Justin Townes Earle - Harlem River blues

Bloodshot / Indigo
VÖ: 01.10.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Im Fluss

So fröhlich, wie diese Platte losgeht, ist sie überhaupt nicht. Der hübsche Uptempo-Country von "Harlem River blues" und Justin Townes Earles pastorale Predigerstimme zaubern dem Hörer unverzüglich ein warmes Lächeln auf die Lippen. Der harmonische Chor im Hintergrund und die vollen Orgeln verbreiten spätsommerliche Wohlfühlstimmung. Nur auf den Text sollte dabei besser nicht geachtet werden: "Lord, I'm goin' uptown / To the Harlem River to drown / Dirty water gonna cover me over / And I'm not gonna make a sound." Wie der Titeltrack schwankt das ganze vierte Album von Justin Townes Earle zwischen hoffnungsvoller Euphorie und Niedergeschlagenheit.

So reihen sich auf "Harlem River blues" Elvis-Anleihen für die 50er-Party, knappe Country-Balladen und nach vorne rockene Americana-Stücke aneinander. Earle breitet seine Ideen nie allzu weit aus, macht oft nach zwei Minuten schon wieder Schluss. Auf einer halben Stunde versammeln sich so elf leicht angekratzte Songperlen, die mit der Stimme der Südstaaten von kleinen und größeren Tragödien in New York City erzählen. "Move over mama" könnte der King auch geradewegs per Zeitmaschine aus den Fünfzigern eingesungen haben. Der unkomplizierte Hummeln-im-Hintern-Beat und die naive Ohrwurm-Melodie gehen ins Ohr wie so viel aus der Pionierzeit des Rock'n'Roll. Dazu braucht es nicht einmal ausgewiesene Refrains. Das nachfolgende "Working for the MTA" besingt die Arbeit in den Tunnels der New Yorker U-Bahnen und verbreitet fast schon romantische Gänsehautstimmung.

Das leicht Sinistre und Verzweifelte, das in vielen der Songs mitschwingt und in der im Herzen der Platte platzierten Ballade "Slippin' and slidin'" am deutlichsten hervortritt, beherrscht Earle mit schlafwandlerischer Sicherheit. Ob es flehende Bläser in Moll sind, leise schluchzende Geigen oder das vorsichtige Klavier, das sich im vielleicht besten Song "Christchurch woman" hinter dem straighten Rhythmus und der tiefen Erzählstimme versteckt - die Harmonien sitzen. Einzig in "Rogers Park" breitet sich zum Ende hin leichter Kitsch aus, wenn das Klavier die Führung übernimmt und Earle zum ersten Mal zu einer etwas zu großen Geste ausholt. Der leicht schale Beigeschmack wird aber gleich darauf von dem noch einmal wiederkehrenden "Harlem River blues (Reprise)" weggespült, mit dem sich Künstler und Chor endgültig dem Fluss ergeben. Bleibt zu hoffen, dass dieser sich als gnädig erweist.

(Maik Maerten)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Harlem River blues
  • Christchurch woman
  • Ain't waitin'

Tracklist

  1. Harlem River blues
  2. One more night in Brooklyn
  3. Move over mama
  4. Working for the MTA
  5. Wanderin'
  6. Slippin' and slidin'
  7. Christchurch woman
  8. Learning to cry
  9. Ain't waitin'
  10. Rogers Park
  11. Harlem River blues (Reprise)
Gesamtspielzeit: 31:42 min

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