Le Tigre - Feminist sweepstakes
Chicks On Speed / EFAVÖ: 19.10.2001
Grammatikrodeo
Vas-y! Während die Sprache der Franzosen weltweit wie keine zweite geliebt wird, kommen selbst ausgefuchste Multilinguisten bei Grammatikfragen ins Schleudern. Subjonctif, conditionel - wie ging das gleich? Falschfranzosen und mutwillige Charmeimporteure sind üblicherweise schnell enttarnt. Nicht, daß sich Le Tigre mit solchen halbherzig gefälschten Federn schmücken würden - der Bandname läßt sich zweifelsfrei aus nichtfranzösischen Fakten herleiten -, doch "Feminist sweepstakes" beweist eindrücklich, daß Kathleen Hanna und ihre beiden Kolleginnen begriffen haben, wie der Tigre laufen muß. "Imperativ" heißt das Zauberwort, oder auch: raus mit der Sprache und Losformulieren ohne Angst vor Peinlichkeiten, immer vorwärts und immer fordernd.
Durchgehend überraschend ist diese Haltung insbesondere bei Kathleen Hanna nicht. Anfang Neunziger war sie eine der herausragendsten Figuren der aus Zine-Geflechten emporgewachsenen Riot-Grrrl-Bewegung und brachte als charismatische Wortführerin der Band Bikini Kill dem Pop unter Mithilfe von expliziten Lyrics und drastischen Punkriffs das Thema Genderpolitik so unbehutsam wie möglich bei. Veröffentlichungen nach dem Bikini-Kill-Ende - ob solo als Julie Ruin oder beispielsweise als Gaststimme bei Atari Teenage Riot - fanden wenig Beachtung, erst mit ihrem aktuellen Projekt gelang es ihr wieder, breitere Zielgruppen wachzurütteln.
Le Tigre ist dann auch mehr als bloß eine weitere Rockband: Keineswegs vernachlässigbar ist die artsy Performancekomponente Le Tigres, die das Erscheinen von "Feminist sweepstakes" auf dem Label der Chicks On Speed durchaus nachvollziehbar macht. Musikalisch wird wie angedeutet wenig Wert auf traditionelle Rockkonventionen gelegt. Gitarren kommen zwar hie und da vor, allerhöchstens jedoch als zu Tode gesampelte und geloopte Abziehbilder. Auch gängige Elektroentwürfe greifen nicht. Le Tigre riskieren eine grellbunte Mischung aus Popfrakturen, Simpelsttrommelmaschinenmuster und clever gestalteten und plazierten Slogans, eingebettet in scheinbar zu Ende gedachte und äußerst gerissene Gesamtkonzepte, durchgehend in musikalischer Befehlsform eingespielt.
Daß das Projekt Le Tigre aufgehen kann, bewies das selbstbetitelte Debüt, das selbst in undenkbarsten Ecken des Popuniversums Begeisterungsstürme provozierte. Was beim ersten Mal funktionierte, muß allerdings in der Zweitinterpretation nicht zwingend aufgehen: Die richtig listigen Momente sind deutlich seltener geworden und fehlen der Platte spürbar. Stellenweise ist die Uneleganz entschieden lästig. Nichtsdestotrotz bietet auch "Feminist sweepstakes" viele Momente, die verhalten-verschmitzes Grinsen bewirken. Dem Pflichtimperativ "vas-y" ist in dieser Auflage von Hannas Feministenprojekt einfach ein eher lapidares "go!" gewichen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- FYR
- Tres bien
- My art
Tracklist
- LT tour theme
- Shred A
- Fake french
- FYR
- On guard
- Much finer
- Dyke march 2001
- Tres bien
- Well well well
- TGIF
- My art
- Cry for everything bad that's ever happened
- Keep on livin'
Referenzen
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- Le Tigre (18 Beiträge / Letzter am 19.12.2006 - 19:29 Uhr)