Abe Vigoda - Crush

Bella Union / Cooperative / Universal
VÖ: 24.09.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Alles außer Lärm

Einfach nur Krach ist schon lange nicht mehr genug. Da kann man noch so rabiat in "The Smell", der amtlichsten Noiserock-Schmiede von Los Angeles, sozialisiert worden sein - irgendwann merkt man halt doch, dass Abwechslung das halbe Musikerleben ist. Wie No Age etwa, die immer wieder kleine Drone-Pakete und neuerdings sogar Folkiges in ihre Lärmbömbchen schmuggeln. Oder Liars, bei denen sich entbeinte Rockmusik bestens mit Krautigem und Synthie-Kriechströmen verträgt. Abe Vigoda wiederum konnten auf ihren ersten drei Alben die Kombination aus Gitarrengetöse und exotischem Instrumentarium als Alleinstellungsmerkmal verbuchen - einige bescheinigten dem Quartett ob "Skeleton" und der Stilbezeichnung "Tropical Punk" sogar den ungefähren Status grob verzerrter Vampire Weekend.

Inzwischen sind Abe Vigoda einen Schritt weiter, haben die Gitarren leiser gedreht und einen Haufen Keyboards im Studio geparkt - und eröffnen "Crush" dann auch äußerst elektroniklastig. "Sequins" tarnt sich zunächst als zurückgenommener Rocker, bevor allerlei Geklöppel und Geklingel das Kommando übernehmen, der Song von Post-Punk-Gerumpel über frenetische Leads bis hin zu Polyrhythmik Marke Talking Heads gleich mehrere Volten schlägt und sich so lange taumelnd im Kreis dreht, bis er schließlich implodiert. Einfacher macht es "Dream of my love": Eine abgedunkelte Surf-Gitarre grantelt im Hintergrund, eine kleine Keyboardfigur hüpft fröhlich umher, ehe scharfe elektronische Flächen das Stück giftig zerschneiden.

Stimmlich warten währenddessen Robert Smith und David Byrne am Bühnenrand und werden plötzlich von den heftigen Riffgewittern des Titelsongs und dem rasenden "November" weggeboxt. Die Gitarren scheppern orchestral, die Drums rennen um ihr Leben und krachen schließlich direkt in das Beatbox-getriebene Rumoren von "Pure violence", das mittendrin einem melodiösen Break auf den Leim geht. Reinster Pop ist anders - purer Krach allerdings auch. Aber dieser recht tumultöse Dreier bleibt ein eher kurzes lärmiges Aufbäumen innerhalb eines Albums, das immer wieder zu Melancholie und latenter Düsternis neigt.

"Repeating angel" macht mit gemütlichem Groove und Keyboard-Wölkchen keinen Hehl aus seinem Hang zu Achtziger-Käsigkeit, kommt aber trotzdem davon, und "Beverly slope" entführt mit abgezirkelten Riffs und jeder Menge Hall auf den beängstigend präzisen Beats in ein Cold-Wave-Wunderland unter Reinraumbedingungen. Ständig droht ein Schlag auszufallen, eine Melodiewendung zu zerbrechen und das Herz stehenzubleiben - und am Ende haben diese vier vermeintlichen Chaoten doch eine wunderbar dichte, mitunter grandiose Platte gezaubert, die so viele Löcher gräbt, dass der Hörer mit dem Zuschütten kaum hinterherkommt. Wenig Lärm um eine ganze Menge.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dream of my love
  • November
  • Pure violence
  • Beverly slope

Tracklist

  1. Sequins
  2. Dream of my love
  3. Throwing shade
  4. Crush
  5. November
  6. Pure violence
  7. Repeating angel
  8. To tears
  9. Beverly slope
  10. We have to mask
Gesamtspielzeit: 40:41 min

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