Women - Public strain

Flemish Eye / Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 01.10.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das unbekannte Wesen

Männer. Was die immer den lieben langen Tag daherreden. Und Frauen erst. Im Großen und Ganzen geht die Menschheit ja ziemlich in Ordnung - sieht man halt einmal von Männern und Frauen ab. Ein durchaus interessanter Schritt der Band um die Brüder Patrick und Matthew Flegel also, sich nach gleich der Hälfte der Gesellschaft zu benennen und konsequent kaputtproduzierten Schrottkehlchen-Indierock zu spielen. Vom verlorenen Posten, auf dem das Quartett bei Anfragen in Internet-Suchmaschinen steht, einmal ganz zu schweigen. Doch Women haben zumindest ansatzweise Erbarmen. Mit ihrer Auffindbarkeit, die ab sofort durch ein zweites, nicht selbstbetiteltes Album erleichtert wird. Und mit dem Hörer, der sich auf "Public strain" nicht mehr durch ganz so schroff aufgeworfene Lärmwände und LoFi-Krater wühlen muss.

War der Zusatz "music" in der Myspace-URL vor zwei Jahren bestenfalls eine Annäherung, so trifft er nunmehr auf einen Großteil dieses Albums zu: respektable Gesamtspieldauer, Songlängen von durchschnittlich knapp vier Minuten - alles im grünen Bereich. Natürlich kommt es aber noch oft genug vor, dass der Hörer sich im akustischen Pendant des Schneegestöbers auf dem Cover wähnt. Vieles flirrt undeutlich, der Gesang irrt schimärenhaft durch zerspante Arrangements aus Gitarren-Psychedelia und stoischen Bassfiguren, beharrlich vibrierendes rosa Rauschen bekommt dreieinhalb Minuten Laufzeit und einen Songtitel verpasst. Bei "China steps" halten Women es nach humpelndem Beginn dann jedoch nicht mehr aus und lassen ein grob verzerrtes Riffstakkato vom Stapel, als hätten Sonic Youth sich nicht an der Kunsthochschule, sondern bei der Akkordschicht im Walzwerk kennengelernt. Ein bisschen Krach muss eben sein. Auch "Drag open" rast im Eiltempo in die Distortion-Hölle, erlaubt sich aber nach etwas mehr als der Hälfte einen überlangen Ausschleicher.

Genau wie "Public strain" sich eine angenehme, aber undefinierbar dunstige Stimmung gönnt, in der vibrierende Reverbs im Hintergrund idealen Nährboden für absichtlich verstimmte, aber präzise gespielte Riffs und Licks bilden, bis sich beides zu verstrahlter Surfmusik ergänzt. Etwa bei "Penal colony", einem somnambulen "Pet sounds"-Moment, oder den süßsauren Popsongs "Heat distraction" und "Eyesore", die Bradford Cox sicher gerne auf dem grandiosen "Halcyon digest" gehabt hätte. Ganz an die Klasse des Deerhunter-Referenzwerkes reicht dieses Album zwar nicht heran - dazu begeben sich die Kanadier vorerst noch ein wenig zu sehr absichtlich aufs Glatteis stilistischer Unwägbarkeit, bauen viele mutwillige Brüche ein und bleiben so ein ähnlich unbekanntes Wesen, wie es dem namensgebenden Geschlecht zuweilen nachgesagt wird. Doch das ist ihr gutes Recht. Women machen sich keinen Stress. Und dabei viel Freude.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Heat distraction
  • China steps
  • Drag open
  • Eyesore

Tracklist

  1. Can't you see
  2. Heat distraction
  3. Narrow with the hall
  4. Penal colony
  5. Bells
  6. China steps
  7. Untogether
  8. Drag open
  9. Locust Valley
  10. Venice lockjaw
  11. Eyesore
Gesamtspielzeit: 42:19 min

Im Forum kommentieren

saihttam

2024-04-12 11:10:48

Oder auch hier zum Streamen.

saihttam

2024-04-12 11:09:42

Ist übrigens weder auf Spotify noch auf Bandcamp zu finden, sondern zum Download hier.

saihttam

2024-04-12 11:02:10

Oha, aus dem nichts knallt Pitchfork eine 9.1-Review zum neuen Album von Cindy Lee raus. Für alle, die es nicht wissen, das ist das Solo/Nachfolgeprojekt von Patrick Flegel, dem ehemaligen Sänger von Women. Hab immer mal wieder in die Alben von Cindy Lee reingehört, sie für spannend, aber wenig greifbar befunden und wieder ein bisschen vergessen. Jetzt bin ich aber auf jeden Fall angefixt.

saihttam

2014-03-27 23:50:57

Das Album ist immer noch so gut. Diese Gitarrenmelodien sind unglaublich. Der allgemeine Sound der Platte passt auch wunderbar. Eins meiner liebsten Alben 2010. Ich freu mich wirklich auf das neue Projekt, auch wenn da ja nur die Rhythmussektion von Women am Start ist.

saihttam

2014-03-14 02:15:28

Endlich mal Neuigkeiten von ein paar der Exmitglieder von Women. Da bin ich aber gespannt.

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