
No Age - Everything in between
Sub Pop / CargoVÖ: 01.10.2010
Krustige Musikanten
Erkennen Sie die Melodie? Eine Frage, die man bei No Age aus Los Angeles bisher meistens mit einem entschiedenen "Nein" beantworten konnte. Und falls da doch etwas war, trugen Randy Randall und Dean Spunt zumindest immer größte Sorge dafür, vereinzelte harmonische Momente gründlich mit Feedback-Geschrei, wühlendem Reverb-Echo und allem sonstigen Krach zuzuschütten, den man zu zweit zu entfesseln in der Lage ist. Als hätte man den stets gutgelaunten Thermals die Sandburg plattgewalzt, in die Cocktails gespuckt und sie dermaßen auf die Palme gebracht, dass sie nur noch angepisstes Fuzz-Getöse mit heiserem Gekeife fabrizieren mochten. Nein, auf "Weirdo rippers" und "Nouns" kannten Randall und Spunt wenig Gnade. Ihr Hobby: Arschloch. Und Deins?
Falls die Antwort jetzt "Musik" lauten sollte, könnte man sich mit den beiden aber vielleicht auf den letzten Drücker doch noch vertragen. Jedenfalls geben sie sich alle Mühe, ihr drittes Album nicht nur mit Verzerrergebrüll und Distortion aufzufüllen, sondern auch sanftere Passagen, weitestgehend unzerstörten Gesang und eben Melodien einzubauen. Und wer sich beim ersten Satz schon fragte "Was für'n Ding?", der sollte dranbleiben: Es gibt einiges zu entdecken auf "Everything in between". Auch wenn man dafür erst einige derbe Lärmverkrustungen von der Oberfläche lösen muss. Denn wie zu erwarten war, wog die Single "Glitter" mit ihrer relativen Zugänglichkeit nur scheinbar in Sicherheit.
Spätestens der hier folgende Uptempo-Brecher "Fever dreaming" macht erstmals richtig ernst: Von der Annahme, man habe es lediglich mit einem gröberen Punksong zu tun, verabschiedet man sich spätestens an der Stelle, in der das infernalische Gebrüll gemarterter Schabrackentapire einen Refrain ersetzt. Okay: Vielleicht handelt es sich auch um eine handelsübliche Gitarre im Würgegriff von Randalls Fuzz-erprobten Fingern. Aber was man da nun genau hört, ist letztendlich egal. Hauptsache: No Age befinden sich auf Betriebstemperatur, haben eine Duftmarke gesetzt, und schon riecht es eine Spur strenger. So weit, so bekannt. Doch diesmal wollen die zwei mehr als nur akustischen Gestank verbreiten und permanent den musikalischen Mittelfinger ausfahren.
Auf "Everything in between" ist es nämlich auch Punkrock, sich einen sehnsuchtsvollen Seufzer wie "Common heat" zuzutrauen und die psychedelischen Hallschlaufen von "Skinned" von einer wildgewordenen Drummachine niedertrampeln zu lassen. Mit "Sorts" landen No Age gar bei einem schmatzig groovenden Folk-Stampfer mit Lalala-Finale, der womöglich der monotonste Hit ihrer Karriere sein könnte. Doch Obacht: "Positive amputation" legt direkt eine Schippe entstellten Ambient nach, und "Shed and transcend" schmeißt einen rasenden Lärmbrocken mit schwabbeligem Hintergrundgeräusch aus dem Fenster, vor dem selbst Japandroids besser in Deckung gehen sollten. Und so gelingt No Age erneut souverän die Verpflanzung von Rockmusik in einen entstellten Körper mit beträchtlichen Geradeauslaufproblemen. Operation? Gelungen. Patient? Scheißegal.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fever dreaming
- Common heat
- Sorts
- Shed and transcend
Tracklist
- Life prowler
- Glitter
- Fever dreaming
- Depletion
- Common heat
- Skinned
- Katerpillar
- Valley hump crash
- Sorts
- Dusted
- Positive amputation
- Shed and transcend
- Chem trails
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