
The Lonesome Southern Comfort Company - Charles the Bold
On The CamperVÖ: 03.09.2010
Der 51. Staat
Ein Gedankenspiel: Würde die Schweiz nicht in der Mitte Europas liegen, sondern wäre sie der 51. Staat der USA, wo würde man sie dann geografisch vermuten? Vielleicht würden sich die Eidgenossen mit all ihrer freiheitlichen und demokratischen Tradition inmitten der altehrwürdigen Neuengland-Staaten wohlfühlen. Vielleicht wären sie nicht abgeneigt, im Mittleren Westen einen Teil der Rocky Mountains abzubekommen, auch wenn die ein eher zweitklassiger Alpen-Ersatz wären. Aber im Süden, zwischen Rednecks und Baumwollfeldern, aristokratischen Herrenhäusern und Country-Bands würde man sie nicht vermuten. The Lonesome Southern Comfort Company könnten das ändern.
Die vier Schweizer haben 15 authentische und wunderschöne Südstaaten-Songs aufgenommen, in denen Country, Folk und Rock zu behutsamen, aber zwingenden Meisterwerken verschmelzen. Durch "Charles the Bold" zieht sich eine melancholische Spannung, die den Hörer sowohl in den kurzen, bruchstückhaften, als auch in den langen, ausufernden und lauten Stücken gefangen nimmt. "Brixby creek bridge" beginnt mit zwei vorsichtigen Tönen auf der Akustikgitarre und einnehmend tragisch-intensiver Gesangsmelodie. Mit "Death at Nancy" gehen The Lonesome Southern Comfort Company dann schon über die Fünf-Minuten-Marke und vermischen mehrstimmigen Folkgesang, langsam marschierenden Rhythmus und akustische Harmonien mit einer krachig-verzerrten Coda. "Charles the Bold" wird nur ganz selten so laut, aber die Band setzt dieses Stilmittel so geschickt ein, dass es einem jedes Mal eiskalt den Rücken hinunterläuft.
Mit "Train song #3" folgt eines der absoluten Highlights. Begleitet von Banjo und weinender Viola in tieftraurigem Moll setzt sich die absteigende Gesangsmelodie unlöschbar im Kopf fest. "Horrible town" schraubt sich mit Mundharmonika und Orgel immer weiter in den schwarzen Nachthimmel, der "Love song" schafft es, sich trotz Akkordeon nicht lächerlich zu machen, und in "1929-2009" türmen sich allerhand verzerrte Instrumente zu einem wahren Noise-Gewitter auf. Die instrumentalen Möglichkeiten sind schier unbegrenzt, aber immer wieder führen The Lonesome Southern Comfort Company ihre Songs zurück auf die akustische Gitarre und einen immer etwas gebrochenen Gesang. Auf diesem Fundament bauen sie sowohl episch in die Breite gezogene Harmoniewunder wie das schleppend-sinistre "City on a lake", als auch kleine und einfach bezaubernde Songs wie "La Somme". Dabei beherrschen sie nahezu jede Nuance dazwischen, immer abgefedert durch butterweiche Harmonien und herzerreißend schöne Melodien, die man vielleicht auch nur fernab von der Reizüberflutung der lauten, grellen Lebenswirklichkeit der USA schreiben kann. Zum Beispiel in der Schweiz.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Train song #3
- Horrible town
- City on a lake
Tracklist
- Bixby creek bridge
- Death at Nancy
- Train song #3
- La Somme
- Tom, dad & mom
- Happy birthday, John
- Horrible town
- Love song
- Sappony church part 2
- 1929-2009
- Sonoma county
- City on a lake
- Mazda
- Pikers & vests
- Dime
Referenzen