Papa Roach - Time for annihilation … on the record and on the road
Eleven Seven / EMIVÖ: 27.08.2010
Zurück aus der Zukunft
Stellen wir uns doch mal folgendes Futurama-Szenario vor: Im Sommer 2001 fällt ein Käppi tragender Skaterjunge aus Versehen in eine Kühltruhe und wird für neun Jahre eingefroren. Als er im Jahr 2010 wieder aufwacht, erfährt er, was in der Zwischenzeit alles passiert ist. Die USA haben einen schwarzen Präsidenten und außerdem zwei Kriege angezettelt, in Europa zahlt man weitgehend mit einheitlicher Währung, und seine Lieblinge Papa Roach haben sich von einer rebellischen Nu-Metal-Kapelle in eine Lederwesten tragende Hardrockcombo verwandelt. Coby Dick heißt jetzt Jacoby Shaddix, und anstatt über Selbstmord zu rappen, schmettert der Sänger nun Refrains wie "No matter what / I got your back / I take a bullet for you if it comes to that."
Ohne Frage war der Prozess, den Papa Roach auf dem letzten, sinnig betitelten Album "Metamorphosis" abschlossen, ein tiefgreifender. Wie um die letzte Brücke zur Vergangenheit abzubrechen, hat das Quartett auch die bisherige Heimat Interscope verlassen und veröffentlicht nun auf demselben Label wie Mötley Crüe. In solch einer Umgebung kann man es sich offenbar erlauben, einen Tonträger völlig ironiefrei "Time for annihilation … on the record and on the road" zu nennen. Leider Gottes ist der Titel nicht die einzige Peinlichkeit, die sich die Amerikaner auf diesem Potpourri aus Studio- und Liveaufnahmen leisten.
Die fünf neu eingespielten Lieder setzen die Schweinerock-Schiene des Vorgängers gnadenlos fort. Heißt: In radiotauglichen dreieinhalb Minuten wird so lange gerifft, bis der Stadionrefrain kommt. Und der kommt verlässlich wie das Christkind zu Weihnachten. Die Produktion schafft es tatsächlich, sämtliche Kanten und auch Shaddix' kräftiges Organ glatt wie Leder zu schleifen. Immerhin gehen "Burn" und "One track mind" noch als kraftvolle Rocksongs durch. Auf der Single "Kick in the teeth" leisten sich Papa Roach dann aber einen dumpfbackigen Mitgröhlrefrain der schlimmsten Sorte. Und mit "No matter what" folgt die obligatorische Herzschmerz-Ballade, die sämtliche niedrigen Erwartungen erfüllt.
Richtig schlimm wird es aber erst bei den Liveaufnahmen, die trotz druckvoller Performance in erschreckender Deutlichkeit aufzeigen, wie weit sich Papa Roach von ihren Wurzeln entfernt haben. Shaddix lässt keine Stadionrock-Geste aus, schmeichelt dem Publikum mit hohlen, abgedroschenen Phrasen und fordert pro Lied gefühlte fünf Mal zum gemeinsamen Mitsingen auf. All das Rockstar-Getue wirkt um so lächerlicher, je öfter der große Zampano auf der Bühne versichert, wie echt all die Emotionen hinter der Musik von Papa Roach sind. Das klingt verflucht nach Rechtfertigung. Die wäre allerdings auch angebracht, schon alleine für die Art, wie die Klassiker "Between angels and insects" und "Last resort" bis zur Beliebigkeit mitsingtauglich gemacht werden. Das ist so deprimierend, dass man sich am liebsten neun Jahre in die Vergangenheit beamen würde. Aber das geht ja mit Kühltruhen leider nicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Burn
- No matter what
Tracklist
- Burn
- One track mind
- Kick in the teeth
- No matter what
- Enemy
- Getting away with murder (live)
- ... to be loved (live)
- Lifeline (live)
- Scars (live)
- Hollywood whore (live)
- Time is running out (live)
- Forever (live)
- Between angels and insects (live)
- Last resort (live)
Referenzen
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