Marteria - Zum Glück in die Zukunft
Four / SonyVÖ: 20.08.2010
Die kleinsten Winkel
Schauspieler oder Model? Fußballer oder Rapper? Marten Laciny, der sich hinter dem Namen Marteria verbirgt, hat sich gleich für alle vier Wege entschieden. Natürlich nicht gleichzeitig, aber mancher würde das selbst in eineinhalb Leben nicht auf die Leine bekommen. Und im Augenblick ist Marteria bei der Rettung des deutschen HipHop angekommen. Viele haben sich daran versucht, und trotzdem bleibt der Eindruck, dass die Sache noch nicht ganz ausgeschwitzt ist. Doch bei Marteria ticken die Uhren sowieso anders. Denn so konsequent wie er hat sich der Sache bisher keiner angenommen. Das macht schon die Vorabsingle "Verstrahlt" klar, wenn sie in der tiefsten Beatkiste wühlt. Reduziert pumpt der Bass im Hintergrund, bevor der Refrain den Himmel aufreißt. Darüber haut Marteria seinen zähen und simplen Flow. Betont langsam kommt der Track in Gang, getragen von dem unverwechselbaren Sound von The Krauts, die schon "Stadtaffe" von Peter Fox auf die Beine halfen. Auch in ihrem Sinne kocht Lacinys viertes Album (wenn die beiden Alter-Ego Alben von Marsimoto mitgezählt werden) nur so über mit seinen Anleihen an Elektro, Grime und Dubstep.
Geradlinig pumpt es an jeder Ecke und Kante. Da wäre etwa "Amys Weinhaus", das simpel und tight seine Hook abspult. Die Beats geben sich in den ersten Momenten kalt und abweisend, aber im Hintergrund der Fassade schlägt ein Herz, das hinter der ganzen Platte steckt und sie antreibt. Bis in die kleinsten Winkel wird ein Flow geweht, der sich nie in Geschwindigkeit versucht, sondern träge über allem schwebt. "Sekundenschlag", dem Peter Fox seine Stimme leiht, gibt dieses Gefühl am geballtesten wieder: "Tanz zufrieden in dein Grab hinein." Zeit ist der unbezwingbare Gegner, gegen den es anzurennen gilt, wobei bereits "Endboss" ganz zu Beginn klarstellt, dass es nur eine Richtung gibt. Mario-Sounds werden aus dem Gameboy gebohrt, dazu gibt es einen dicken Bass, der sich dröhnend in die Hirnwindungen drückt. Überhaupt spielt Vergangenes keine Rolle. Marteria hat sich diesen Sound basteln lassen und beherrscht ihn wie selbstverständlich. Kein Wunder, dass er da Tür und Tor aufgestoßen hat und Jan Delay, Casper und Miss Platnum gerne eingetreten sind. Letztere drosselt sämtlichen Schwung aus ihrer Stimme und zieht im Refrain von "Veronal" an den Augenlidern. Und auch die Gäste schluckt der Schlund dieses breiten Sounds wie selbstverständlich.
Nie verkommt "Zum Glück in die Zukunft" zum Krampf, sondern bleibt auf seinem Kurs und krempelt die Berliner Szene mal eben auf links. Natürlich gibt es Vorbilder, die eindeutig zu hören sind, aber trotzdem hat sich noch nie jemand so konsequent dem Ding seinen Namen in die Rinde geritzt wie Marteria. The Krauts haben ganze Arbeit geleistet. Auch textlich kann Marteria mit den meisten anderen deutschen Rapper den Boden wischen. Die Zeilen verknoten sich nie. Es bleibt simpel und schlicht, doch das wird hier zur besten Möglichkeit, Geschichten zu erzählen. Die Worte werden mit Bedeutung beladen, und gerade dadurch sitzt so mancher Rhyme nahezu perfekt. Wie in "Amys Weinhaus" - vielleicht der einzige Track, der sich nicht dem Blick in die Zukunft verschreibt, sondern die Aussichtslosigkeit in den Himmel malt. Mit diesem Album will Marteria nicht ankommen, nur den Weg vorzeichnen. Mission complete.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Verstrahlt feat. Yasha
- Amys Weinhaus
- Sekundenschlaf feat. Peter Fox
Tracklist
- Endboss
- Verstrahlt feat. Yasha
- Amys Weinhaus
- Du willst streiten
- Wie mach ich dir das klar feat. Jan Delay
- Marteria girl
- Louis
- Kate Moskau
- Alles verboten feat. Casper
- Veronal (Eine Tablette nur) feat. Miss Platnum
- Seit dem Tag als Michael Jackson starb
- Sekundenschlaf feat. Peter Fox
Referenzen
Spotify
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