Fang Island - Fang Island

Sargent House / Cargo
VÖ: 16.07.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Gaga-Gang

So etwas passiert, wenn man nicht aufmerksam ist. Wenn man vor lauter Gedankenverlorenheit seine Schlüssel verliert oder sich ebendiese aus Schusseligkeit abnehmen lässt. Wäre man jetzt doch nur ein stinknormaler Hausmeister, ein gewöhnlicher Lehrer oder Schlüsseldienstleister, der Schaden wäre wohl nur marginal, und die Bevölkerung könnte sich weiterhin ohne Bedenken auf die Straße wagen. Aber als Wärter einer Irrenanstalt sollte man stets besondere Sorgfalt walten lassen. Doch nun ist es zu spät, die Freaks sind draußen und lassen ihrem Drängen freien Lauf. Fünf von ihnen haben sich nach der Flucht in einem Musik-Fachmarkt verschanzt, und was sie dort vorfanden, erschien ihnen wie das Paradies auf Erden: Mit Gitarren verkleidete Wände, Trommeln und Orgeln laden zum ausgelassenen Musizieren ein. Da an den Fachhandel noch ein kleines Tonstudio angeschlossen war, versuchten sich die Burschen auch noch als Produzenten und bannten ihre tongewordene Weirdo-Orgie auf Band.

Genauso muss das neue Album von Fang Island entstanden sein - alternative Möglichkeiten sind völlig auszuschließen. Sie selbst nennen ihre Musik "Everyone-high-fiving-everyone", und diese Beschreibung ist ziemlich zutreffend: Euphorisch werden hier Hard-Rock, Pop und Freak-Folk gekreuzt, dass Gregor Mendel in seinem Grab vor Freude die Luftgitarre schwingt. Meist brauchen diese Verrückten nicht einmal Vocals für ihre Hymnen, die nackt, aber mit Glitter im Haar über Wiesen rennen, Purzelbäume schlagen und kleine Kinder erschrecken. Allein der Opener macht mit breitbeinigem Gegniedel und Feuerwerk klar, dass das hier eine hemmungslose Party ist, zur der sich jeder eingeladen fühlen darf, der bereit ist, seinen Verstand an der Garderobe abzugeben.

Was das Beste an dieser Platte ist: Fang Island können sogar Hits! "Daisy" ist ein hyperventilierender Fiesling, ähnlich dem nackten Asiaten aus dem Blockbuster "Hangover". Und würde man es nicht besser wissen, man könnte meinen, das wäre der offizielle Soundtrack dazu. "Jackass" für die Ohren sozusagen. Doch trotz aller Albernheiten erschaffen Fang Island auch magische Momente: "Sideswiper" dengelt sich durch eineinhalb Minuten, bricht dann auf, lässt die Stimmen eines Männerchors emporsteigen und klingt nach zweieinhalb Minuten wie das Intro einer US-Sitcom, die erst noch erfunden werden muss. "The Illinois" hingegen könnte eine Dehnübung von Thin Lizzy sein, die sich kurzerhand mit den Japandroids zusammengeschlossen haben. Herzstück des Albums ist "Davey Crockett", ein fast sechsminütiger Spannungsbogen, der vor Hochgefühl brodelt und sich zum Ende hin furios entlädt. Und wenn "Life coach" zwischendurch klingt, als kämpfe Super Mario mit tollwütigen Gitarren, weiß man, dass dieses Album mitnichten von normalen Menschen fabriziert wurde. So etwas passiert wohl, wenn man völlig gaga ist.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Daisy
  • Life coach
  • Sideswiper
  • Davey Crockett

Tracklist

  1. Dreams of dreams
  2. Careful crossers
  3. Daisy
  4. Life coach
  5. Sideswiper
  6. The Illinois
  7. Treeton
  8. Davey Crockett
  9. Welcome wagon
  10. Dorian
Gesamtspielzeit: 31:27 min

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