Sun Kil Moon - Admiral fell promises
Calo Verde / CargoVÖ: 16.07.2010
Autogenes Training
Er ist ganz bei sich. Kein Geräusch lenkt ab, kein heranfliegender Gedanke vertreibt die wolkige Stimmung. Alles, was Mark Kozelek bleibt, ist nur noch seine Akustikgitarre. Die immer schon gefühlte Einsamkeit wird manifest. Für sein viertes Album als Sun Kil Moon hat Kozelek die träge schwappende Elektrizität, mit der Vorgänger wie "April" noch faszinierten, gegen Fingerspitzen auf Nylonsaiten eingetauscht. Songs for a blue guitar. Aber: "No, this is not my guitar, I'm bringing it to a friend / No, I don't sing, I'm only humming along / Up here in the air, mumbling at the clouds." Dies sind die eröffnenden Worte von "Admiral fell promises", und entwaffnender hat noch kaum jemand die Limitierung seiner Musik besungen.
Dennoch steht hier keine kompliziert entworfene Metaebene im Zentrum. Auch Kozeleks unzweifelhafte Fingerfertigkeit spielt nur eine vordergründige Hauptrolle. Einmal mehr ist es Trübsinn in mannigfaltigen Schattierungen, der "Admiral fell promises" prägt. Standen dafür auf dem wunderbaren "Ghosts of the great highway" noch vorwiegend unbekannte Personen im Mittelpunkt, jetzt sind es obskure Orte und Landschaften. Damit ist kein Staat zu machen. Aber warum sollte Kozelek es sich auch einfach machen? Romantik speist sich doch vor allem aus verfehlten Zielen und unerfüllten Sehnsüchten.
Also bilden auf "Admiral fell promises" lose Enden und offene Akkorde spannungsreiche Gebilde, in denen Kozelek lyrischen Herzschmerz und instrumentale Details verstecken kann. So laden die schwermütigen Songs zum Rätselraten ein: Wozu dienen die klassisch anmutenden Gitarrenschüler-Ausritte, mit denen die Songs noch während ihres Entstehens zu Kathedralen anwachsen? Reflektiert Kozelek mit der mantrahaften Zweitstimme von "Church of the pines" vielleicht sogar unverarbeitete Erinnerungen als Messdiener? Hat der Vorzeigemelancholiker mit der überbordenden Gefühligkeit von "You are my sun" wirklich das Licht gesehen? Oder steht die dezent verstimmte Gitarre in "Australian winter" doch bloß einmal mehr für die menschliche Schwäche?
Antworten bieten die trotz aller Kunstfertigkeit bisweilen konstruiert wirkenden Songs vor allem auf der Gefühlsebene. Man spürt den flatterhaften Herzschlag dieser Gitarrenepen, man fühlt die in Schönheit sterbende Frustration. Den Rhythmus hingegen hört man kaum. Jedwede Perkussion stört nur; selbst geklatschter Flamenco würde bei aller formellen Nähe zu dieser Musik nur die besinnliche Atmosphäre verunstalten. Taktgabe von außen könnte ohnehin nur unzureichend Halt bieten. Zu oft ändert Kozelek in fein ziselierten Akkordreihen wie dem poetischen "Half Moon Bay" oder dem beinahe tänzelnden "The leaning tree" die Richtung.
Der heillose Romantiker in Kozelek schrieb für "Admiral fell promises" überraschend hoffnungsfrohe Zeilen wie "A million nights have led / To this one that we are spending / And I know it's better here / Than anywhere I've been going." Mit zu viel Zufriedenheit wird hier aber niemand überfordert. Schon gar nicht Kozelek selbst. Er hat ohnehin reichlich damit zu tun, genügend Moll einzufangen, damit seine Musik weiterhin die wundersam vertonte Depression sein kann. Kozelek ist ganz bei sich. Er ist die Ruhe selbst.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Half Moon Bay
- You are my sun
- The leaning tree
- Bay of skulls
Tracklist
- Ålesund
- Half Moon Bay
- Sam Wong hotel
- Third and Seneca
- You are my sun
- Admiral Fell promises
- The leaning tree
- Australian winter
- Church of the pines
- Bay of skulls
Im Forum kommentieren
Mendigo
2010-08-01 14:03:19
das bisher beste Sun Kil Moon Album! würde ich zwar nicht sagen, ist aber sowieso noch zu früh für mich und ausserdem ist auch ein nicht-bestes Sun Kil Moon Album ein tolles Album. Das Fehlen einer Band stört jedenfalls kaum, geht ja sowieso in erster Linie um Stimme und Texte, und das Gitarrenspiel ist auch noch gelungen und sehr kopierenswert für die ganzen einfallslosen Akkordschrammler die sich dann Singer/Songwriter schimpfen.
Mendigo
2010-08-01 13:56:21
Walenta
2010-07-30 19:50:33
Gestern mit der "I´ll be there" EP eingetroffen und nach drei Durchgängen sag ich mal ganz euphorisch: das bisher beste Sun Kil Moon Album!
(Btw.: die EP ist auch ganz hervorragend geworden....)
toolshed
2010-07-25 05:46:59
Die ist doch sogar bereits als Sun Kil Moon Album veröffentlicht worden.
Beefy
2010-07-24 11:04:03
Nur Gitarre und Gesang? Kommt die denn nun unter seinem Namen oder als Sun Kil Moon Platte raus?
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