Nina Nastasia - Outlaster
Fat Cat / Rough TradeVÖ: 11.06.2010
Die Mischung macht's
Je komplexer die Strukturen, je experimenteller die Herangehensweise, desto weiter geht der qualitative Sprung nach vorne. Eine Rechnung, die sicherlich nicht bei jedem Musiker aufgeht, bei Nina Nastasia aber ist sie inzwischen als verbindliche Auslegungsregel in Stein gemeißelt. Das spricht für ihre stetige Weiterentwicklung wie auch für die intensive Auseinandersetzung mit einem neuen Albumkonzept. Hört man sich das zehn Jahre alte Debüt "Dogs", so ist es einerseits gekennzeichnet von den melancholisch-minimalistischen Miniaturen, die heute noch als typisch durchgehen, andererseits aber auch durch eine betäubende, weniger zwingende Tagträumerei, die manches ausdauernde Mal auch weniger transparent erscheint.
Bis zu "You follow me" war es sicherlich kein Quantensprung, dafür gab schon zu Beginn ihrer Karriere viel zu viel Begnadetes wie Forderndes. Dennoch hat dieser Geniestreich zwischen festen, dunklen, manchmal ausschweifenden Songwriterstrukturen und dem freiheitlichen Spiel des Drumming-Gottes Jim White die bekannte Messlatte weit nach oben schnellen lassen. White fehlt auf "Outlaster", Nastasias sechstem Album. Jay Bellerose darf nun als Ersatzmann ran und macht einen ebenso grandiosen Job, wenn er auch um ein Vielfaches stringenter arbeitet. Auch er bekommt wie White auf "On leaving" und "You follow me" eine Hauptrolle zugesprochen, rückt aber dennoch nicht in den Mittelpunkt - zu viele weitere Musiker sind auf diesem Album vertreten und leisten einen entscheidenden Beitrag zum Endprodukt.
Neben dem Chicagoer Gitarristen Jeff Parker ist es vor allen Dingen das kleine, von Paul Bryan arrangierte Streich- und Holzbläserorchester, das für "Outlaster" einen albumfüllenden Kontrakt erhalten hat. Dabei könnte sich die Frage stellen, ob es sich der Komplexitätsrechnung anpassen kann oder nur die Wogen glätten soll - Nastasia aber lässt diese Frage gar nicht erst aufkommen. "Cry, cry, baby" katapultiert den Hörer zurück in die schlichte akustische Frühphase der New Yorkerin. Aber anstatt in Schönheit zu vergehen, schafft das moll-tönende Orchester eine Punktgenauigkeit und Weitflächigkeit, die diese spartanische Songidee zu voller Blüte bringt. Das treibende, melodiöse "Moves away", das auch auf "On leaving" eine gute Figur gemacht hätte, schlägt in eine ähnliche Kerbe und markiert mit dem gleichzeitigen Aufbegehren von Stimme und Bläsersektion einen der innigsten Momente von "Outlaster".
Das großartige "You can take your time" wächst durch ein mehrfaches sanftes Übergleiten von rhythmischem, hypnotischem Stakkato zu balladesker Größe. Belleroses dominierendes Drumming und die stechenden Violinenspitzen schlagen der Eingängigkeit ein Schnippchen. Doch auch wenn die Zusammenarbeit zwischen Nastasia und ihren Gästen meist hervorragend funktioniert und letztlich sogar mit dem Titelstück einen hochwertigen Ausklang findet, hat "Outlaster" einige wenige Schwachpunkte. "This familiar way", eine von osteuropäischem Folk beeinflusste, hochdramatische Ballade, lässt Nastasia mit ungewohnt breiter Brust auftreten, will aber zu viel und fällt deswegen in den letzten Minuten auseinander. "What's out there" bleibt auf der großen Bühne, wenn auch ohne rumpelnden Folk, aber dafür mit dem irritierenden Anflug bissiger Disharmonie, dessen orchestrales Experimentieren blass und aufgesetzt wirkt. "Outlaster" brilliert dann, wenn gut funktionierende Hausmittel mit den neuen Anschaffungen gepaart werden, sollte sich aber vor zu radikaler Umsetzung hüten. Ein minimalistisches, in sich ruhendes Kleinod voll brüchiger Schönheit wie "One way out" gibt uns aber Gewissheit, dass Nastasia nie den Schritt des kompletten Umbruchs gehen wird. Glück für uns.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cry, cry, baby
- You can take your time
- One way out
- Outlaster
Tracklist
- Cry, cry, baby
- Moves away
- You're holy man
- You can take your time
- This familiar way
- What's out there
- A kind of courage
- Wakes
- One way out
- Outlaster
Im Forum kommentieren
rothausmaler
2010-11-27 13:48:12
das konzert, letzten mittwoch, köln: grandios.
vheissu1
2010-07-23 10:09:25
Eines der wenigen ALben mit Frauen Gesang, das mich richtig packt.
Für mich eine 8/10.
xm
2010-05-17 23:04:11
das fehlen jim whites merkt man leider deutlich.
stativision
2010-05-17 22:31:02
nett. gut. stimme leider etwas langweilig.
muckipup
2010-05-17 21:24:17
Cry cry baby ist ja schon mal grandios. Das lässt Großes erwarten.
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