HEALTH - Disco2

Lovepump United / City Slang / Universal
VÖ: 25.06.2010
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

In Chloro-Form

"HEALTH sind die Pet Shop Boys des rhythmischen Walzwerk-Lärms, der gelegentlich Spuren von Rockmusik enthalten kann." Wer morgens aufwacht und einen zusammengerollten Zettel mit dieser Aufschrift im linken Nasenloch findet, dürfte an seinem geistigen Gesundheitszustand zweifeln. Oder zumindest an jenem der Person, die ihn dort hineingesteckt hat. Und doch gibt es eine Parallele zwischen dem kalifornischen Noise-Quartett und den altehrwürdigen britischen Electro-Poppern: Beide lassen ihren regulären Alben gerne kritische Remix-Ausgaben folgen, die sie mit dem Titel "Disco" und laufender Nummer versehen. Das Resultat beim Appendix zum brachialen HEALTH-Debüt: ein zuckendes, aufputschendes Konsolenspiel mit derben Fiepsounds und grellen Klötzchengrafiken, das sich am Ende selbst zerstört. Wie nicht anders zu erwarten war.

Klare Sache: So etwas musste für den Nachfolger noch einmal her. Mit von der Band persönlich handverlesenen elektronischen Acts als Remixern. Unter erneuter Mitwirkung von Crystal Castles, deren gelungene Version von "Crimewave" auch auf ihrem eigenen Album landete. Und sogar mit Trent Reznor und Alan Moulder als Gästen, mit denen HEALTH den einzigen neuen Song "USA boys" zusammenschraubten. Doch dabei hat sich die Band offensichtlich vergriffen und aus Versehen das Chloroform statt die Hallo-Krach-Pillen erwischt. Was das grandiose "Get color" verbrochen haben soll, um so gnadenlos und ohne nennenswerte Ausschläge eingeebnet zu werden wie hier, bleibt jedenfalls ein Rätsel.

Zwar sollte man von den Vieren auch nicht erwarten, dass sie einem pausenlos das Trommelfell über die Ohren ziehen - doch so nahe an der Bedeutungslosigkeit haben sie bisher einfach noch nicht agiert. Beziehungsweise agieren lassen. Sie selbst machen es in den wenigen hervorstechenden Momenten wenigstens etwas besser: "USA boys" versteckt die geballte Noise-Power zwar notdürftig unter Keyboard-Flirren und leichter Industrial-Schlagseite, könnte aber auch jeden Augenblick zubeißen, wenn ihm danach wäre. Wenigstens mit Crystal Castles verstehen sich HEALTH erneut bestens und lassen es sich nicht nehmen, deren ansatzweise liebliche Annäherung an "Eat flesh" immer wieder mit Schlagzeugattacken niederzuknüppeln.

Und auch wenn gegen die meisten anderen Beteiligten aus den Dunstkreisen von Bands wie Black Moth Super Rainbow oder Nine Inch Nails im Grunde nichts zu sagen ist - im Kontext von "Disco2" machen sie allesamt keine gute Figur. Mal geht es versuchsweise in die käsigen Bereiche von Hot Chip, dann wähnt sich der Zuhörer in einem wenig sorgfältig ausgewählten Ambient-Werk von Aphex Twin - und fragt sich allmählich, was er dort macht. Dieses Album ist weder ein zugespitzter Überfall auf Schmerzgrenze und Nervenkostüm noch ein unheilvoll unter der Oberfläche brodelnder Lavastrom. Es ist: egal. Was kaum im Sinne der Band sein dürfte. Und wer hier von Disco spricht, stelle sich bitte eine asbestverseuchte Chill-Out-Zone vor.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • USA boys
  • Eat flesh (Crystal Castles vs. HEALTH 2)

Tracklist

  1. USA boys
  2. Before tigers (CFCF rmx)
  3. In heat (Javelin rmx)
  4. Die slow (Tobacco rmx)
  5. Severin (Small Black rmx)
  6. Before tigers (Gold Panda rmx)
  7. Eat flesh (Crystal Castles vs. HEALTH 2)
  8. In violet (Salem rmx A)
  9. Nice girls (Blondes rmx)
  10. Die slow (Pictureplane rmx)
  11. Nice girls (Little Loud rmx)
  12. Before tigers (Blindoldfreak rmx)
Gesamtspielzeit: 53:23 min

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