
Rox - Memoirs
Rough Trade / Beggars / IndigoVÖ: 04.06.2010
Frauenzimmer mit Aussicht
Die große Welle des frischen, unverbrauchten Souls kam in den letzten Jahren nicht aus dem Mutterland USA. Statt dessen drängten im Zuge des Erfolges von Amy Winehouses "Back to black" die britischen Adeles und Duffys in den Vordergrund. Alles schön, aber meist eben auch sehr vergänglich. Und jetzt, als man den Hype eigentlich schon wieder vorüber wähnte, betritt Rox die Bühne. Die Londonerin mit iranischen und jamaikanischen Wurzeln, zu hören im Luft-und-Liebe-Reggae "Rocksteady", überrascht mit schönem Understatement-Soul. Unaufdringlicher als mit "Memoirs" hat sich wahrscheinlich noch nie eine Künstlerin zum next big thing erklären lassen.
Wie es mit der britischen Presse nun einmal so ist, übertreibt sie auch hier ein wenig. Hin und wieder nämlich wird der familienfreundliche Soul von Roxanne Tataei Opfer einer gewissen Beliebigkeit. Böse Ohren mögen in Radio-Leichtgewichten wie "Forever always wishing" und "Breakfast in bed" sogar Anastacia oder Stefanie Heinzmann heraushören. Andere Stücke wie das sehnsüchtige Beziehungs-Doppel "Oh my" und "Precious moments" lassen diesen Vergleich zwar nicht zu, sind aber trotzdem zu banal, als dass sie in die Hall of Fame des Soul eingehen werden. Da helfen auch die romantischen Streicher und sanften Gospel-Chöre nicht weiter.
Andererseits ist die simple Schönheit und gleichzeitige emotionale Tiefe des auf einer akustischen Gitarre gezupften "Heart ran dry" wirklich berührend, denn Rox' Ausgabe des Neo-Soul ist viel zeitloser als jener der Amys, Adeles und Duffys der letzten Jahre. Neben diesen beiden relaxten Lovesongs hat sie auch zwei hervorragende Uptempo-Hits auf ihr Debütalbum gezaubert. Etwa die dritte Single "I don't believe", die maximal beschwingt den Schritt hinüber zum Radiopop wagt, ohne dabei ihre Credibility zu verlieren. Überragt werden die alle anderen Tracks auf "Memoirs" allerdings von "My baby left me". Rox erneuert mit dieser Sorte Soul die Sehnsucht nach Lauryn Hill, die sich mit "The miseducation of Lauryn Hill" als Solokünstlerin unsterblich machte. Der Song mag zwar eine Spur poppiger sein als Hills Großtaten von 1998, büßt dabei aber nicht an Intensität ein und ist damit eindeutig Anwärter auf den Sommerhit des Jahres.
Und wie ein zutiefst romantisches Lied über das Aus einer Beziehung klingen muss, zeigt Rox dann auch noch ganz nebenbei mit dem letzten Stück "Sad eyes". Das Problem an diesem Debüt ist dann auch nicht die Aussicht auf das, was da noch kommen mag. Nein, Rox ist womöglich sogar die große Soulstimme der Zukunft. Die Schwäche von "Memoirs" liegt darin, dass einige Songs einfach zu cheesy geraten sind. So nah die Londonerin in einigen Momentan an die Qualitäten einer Lauryn Hill heran kommt, so weit entfernt ist sie davon an anderen Stellen. Das positive, sommerliche Gefühl und die Gewissheit, hier eine Platte mit echten Gefühlen und schönen Songs in der Hand zu halten, obsiegt schließlich aber doch. "Memoirs" wird nicht das Ende für Rox sein. Es ist der Anfang einer großen Karriere.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I don't believe
- My baby left me
Tracklist
- No going back
- Do as I say
- Page unfolds
- I don't believe
- My baby left me
- Forever always wishing
- Heart ran dry
- Breakfast in bed
- Precious moments
- Rocksteady
- Oh my
- Sad eyes
Referenzen