Pendulum - Immersion

Warner
VÖ: 04.06.2010
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Orgasmus ohne Zähne

Gibt es etwas Langweiligeres als Pendel? Schwingen von links nach rechts. Tagein, tagaus. Nach links. Nach rechts. Nach links. Nach rechts. Bis zur Gehirnlähmung. Die stellt sich auch nach 67 Minuten Pendulum ein, womit die Gemeinsamkeiten dann allerdings aufhören. Denn anders als das genügsam stille Pendel schießen die Australier auch auf ihrem dritten Album wieder mit der dicken Bertha auf kleine, unschuldige Spatzen. Ein einziges Sperrfeuer aus slammenden Drums, alarmsirenengleich heulenden Synthesizern und sonstigen Drohgebärden. Der Soundtrack fürs Komplettausrasten. Voll crazy. Und so nervig wie diese kleinen Köter, die sich mit ihrem Gekläffe auch gerne zum Schäferhund aufpumpen.

Wenn Pendulums als Muskeln getarnte Schwimmflügel wenigstens Lachgas enthalten würden, käme beim Hören von "Immersion" immerhin noch etwas Stimmung auf. Angesichts der teil kruden Stilmischung, die hier aufgetischt wird, steigert sich jedoch von Minute zu Minute weniger die Laune als das Kopfschütteln. "Salt in the wounds" und "Watercolour" sind noch die üblichen Bäm-bäm-bäm-Nummern, mal böse die Zähne fletschend, mal gipfelstürmend euphorisch. Im Prinzip alles todsichere Dancefloor-Hits, genau wie „Immunize“, eine Kooperation mit Liam Howlett von The Prodigy. Aber doch immer überladen mit Bombast und nach dem kleinsten gemeinsamen Rave-Nenner gestrickt.

Es sind dann aber Stücke wie "Set me on fire", die einen mit ihren Geschmacksverirrungen in den Wahnsinn treiben. Auf ein oldschooliges Breakbeat-Intro folgt erst eine Gothic-Anleihe mit Spinett, dann eine digitale Panflötenmelodie, und nachdem der Track schon aus allen Einschusslöchern blutend am Boden liegt, verpasst ihm ein säuselnder Reggae-MC den Gnadenstoß. Leider bleibt es nicht bei diesem einen Opfer. "The island - Pt. I (Dawn)" ertränken Pendulum in Eurodance, wie ihn auch das lokale Hitradio gerne spielt. Dem zweiten Teil des Tracks treten sie dann mit trendig-krassem Bloghouse-Sound à la Bloody Beetroots kräftig in die Weichteile. Wenigstens mit "Self vs self" denken die Australier ihr Grundkonzept einmal konsequent zu Ende und paaren Doppelgitarren und Schreieinlagen der schwedischen In Flames zu einem Metalsong. "Encoder" allerdings steuert als eine Art Ibiza-Schlager mit Volldampf in den ZDF-Fernsehgarten. Gottseidank ist danach endlich Schluss.

Von Drum'n'Bass, worunter Pendulum ja für gewöhnlich einsortiert werden, ist diese seltsame Melange aus allem, was gerade irgendwie trendy ist, so weit entfernt wie ein Kölsch von einem Bier. Von Subtilität und bedrohlicher Stimmung, wie sie Source Direct oder das Label No U-Turn in den seligen Neunzigern beherrschten, fehlt hier ohnehin jede Spur. Auch was Härte ist, lässt sich auf einer alten Acid-Platte von Mike Dearborn sehr viel eindrucksvoller nachhören als auf „Immersion“. Selbst als Rock oder gar Metal mit elektronischer Grundierung betrachtet, ist das Album trotz aller Zappelei im Grunde genommen so zahnlos wie ein Eishockeyspieler nach einem kräftigen Bandencheck. Eine einzige Spiegelfechterei, ein einstündiger vorgetäuschter Orgasmus. Bei den anstehenden Festivals werden sich vermutlich trotzdem Zehntausende zu Pendulum im Schlamm wälzen. Ist halt Entertainment. Mit allen miesen Klischees.

(Harald Jakobs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. Genesis
  2. Salt in the wounds
  3. Watercolour
  4. Set me on fire
  5. Crush
  6. Under the waves
  7. Immunize (feat. Liam Howlett)
  8. The island - Pt. I (Dawn)
  9. The island - Pt. II (Dusk)
  10. Comprachicos
  11. The vulture
  12. Witchcraft
  13. Self vs self (feat. In Flames)
  14. The fountain (feat. Steven Wilson)
  15. Encoder
Gesamtspielzeit: 67:15 min

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