Schöftland - Der Schein trügt
Chop / H'ARTVÖ: 09.04.2010
Adel verbindet
Es ist merkwürdig und peinlich gleichzeitig: Man ist überrascht, wenn sich Stereotype über bestimmte Regionen oder Länder nicht bestätigen. Es scheint irgendwie wichtig zu sein, sich durch Vorurteile von anderen Ländern abzugrenzen. Auch direkte Nachbarstaaten und sogar Gebiete innerhalb eines Landes sprechen unter Umständen nur scheinbar die gleiche Sprache. Es sollte aber bei einer Band aus der Schweiz auch vor dem ersten Hören gar nicht erst an Heidi, Käse, Langsamkeit und Dialekt gedacht werden. Und wenn es nicht von DJ Bobo ist, was da erklingt, sondern einfach gute Musik, dann ist das nicht so, obwohl Schweizer am Werk sind. Es ist eben einfach so.
Einen Beitrag zum Abbau von Vorurteilen leistet die schweizerische Band Schöftland. Die fünf Jungs aus Bern haben sich 2005 nach einer Region in ihrem Heimatland benannt. Zwei Jahre später entstand ihr Mini-Album "Nur Touristen", mit dem sie dann von Hamburg bis Zürich durch die Gegend tourten. Im Oktober 2009 wurde "Liebesbrief" als erstes Lied vom aktuellen Album veröffentlicht. Da singt Schöftland-Boss Floh von Grünigen zusammen mit Nils Koppruch (Ex-Fink).
Der Bandname mag ein bisschen beliebig klingen und der Album-Titel auf den ersten Blick zu platte egozentrische Kreise zeichnen. Tatsache ist aber, dass sich hinter diesen Buchstaben gut arrangierte Melodien und intelligente Wortkombinationen zu oft nachdenklicher, authentischer Poesie verspinnen. Meistens werden zwischenmenschliche Beziehungen ehrlich und melancholisch besungen, unterstützt wird die Ehrlichkeit außerdem von den Instrumenten: Viel Gitarre, Harmonium-Akkordeon, Baritonsaxofon und Kontrabass tragen dazu bei, dass das Album ziemlich stimmig ist, ohne langweilig zu wirken oder sich beim Hören abzunutzen. Das liegt daran, dass von Grünigens Stimme die Töne wie Kaugummi dehnen kann, wenn sie so was singt wie "Liebe auf ewig, wo bleibt da die Poesie", nachdem im vorherigen Lied noch fast die Saiten der E-Gitarre gerissen sind.
Die überwiegend gedämpfte Stimmung ist auch deshalb angenehm, weil die Gedanken nie kitschig, sondern zwar schön verpackt, aber immer nachvollziehbar sind. "Dass ich schlief" beginnt zart mit Bläsern und Gitarre und erzählt dann mit stimmlosem "S" und ein paar schiefen Tönen von einem Leben ohne Illusionen: "Du erinnerst dich an Deine Träume / Und ich weiss immer nur, dass ich schlief." Auch in "Wir könnten fliegen" wird ein anonymes Individuum beschrieben, das erst durch das Aufgeben unrealistischer Ziele wieder zu sich selbst findet. Zwischen den gut verbandelten Strophen und Klängen findet schlussendlich sogar noch der melancholische Gisbert zu Knyphausen Platz, um zusammen mit Schöftland und mit kaum hörbaren Bläsern die Kleinstadt zu besingen. Das ist dann wohl - Verzeihung - die zarteste Versuchung, seit es schweizerische Musiker gibt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Liebesbrief
- Dass ich schlief
- Wir könnten fliegen
Tracklist
- Der Sturm
- Blaulicht
- Der Schein trügt
- Liebesbrief
- Komet
- Dass ich schlief
- Das Biest
- Wir könnten fliegen
- Niemandsland
- Kleinstadt