Daniel Johnston - Beam me up!
Hazelwood / Rough TradeVÖ: 26.03.2010
Jazz ist anders
Eigentlich dürfte einen bei Daniel Johnston nichts mehr überraschen. Schließlich ist der Musiker und Künstler aus Sacramento, Kalifornien in seinem Leben mehr als ein paar Mal den ungewöhnlichen Weg gegangen - wessen Vita zwischen Home Recording, psychiatrischer Klinik und McDonalds auf beiden Seiten des Tresens oszilliert, von dem erwartet man von vornherein Unerwartetes. "Beam me up!" ist dennoch gleich in doppelter Hinsicht überraschend: Zum einen, weil Johnstons letztes Album "Is and always was" erst im November vergangenen Jahres veröffentlicht wurde, wobei dieses hier bereits zur etwa gleichen Zeit entstand. Zum anderen, weil Johnston nun mit dem elfköpfigen niederländischen Jazz-Ensemble B.E.A.M. Orchestra zusammenarbeitet, um einige seiner alten Klassiker im Big-Band-Soundgewand neu erstrahlen zu lassen. LoFi goes Jazz, quasi.
Was dann auch einigermaßen ungewöhnliche Resultate zeitigt: Auf der einen Seite Johnstons schiefer Gesang und sein unstetes Gitarren- und Klavierspiel, auf der anderen der volle Sound des Profi-Orchesters zwischen Frühstücks-Jazz und Karnevalstrubel - eine exotische, wenngleich nicht unspannende Kombination. Klassiker wie "True love will find you in the end" oder "Devil town" bettet das Ensemble auf sanft anschwellende Bläser und langsame Streicher und verleiht ihnen so mit der warmen, aber zurückhaltenden Big-Band-Note einen Hauch von Sinatra-Glamour, der in den Originalen nicht im Entferntesten vorhanden war. "Walking the cow" gerät gar zu einem beschwingten Stück New Orleans Jazz mit solide herausgearbeiteter Dramatik.
Wo sich die alten Hits im neuen Gewand noch etwas seltsam anfühlen, kommen die drei bereits 2003 auf "Fear yourself" mit dem unlängst leider verstorbenen Sparklehorse-Macher Mark Linkous ausgearbeiteten Stücke dem Orchester entgegen: Sehnsüchtige Streicher-Sonnenaufgänge und treibende Percussion untermalen "Syrup of tears", "Must" steigert seine leise Dramatik bis hin zu einem ekstatischen, düsteren Karnevalsbläser-Finale, und "Love enchanted" gleitet vom Klarinetten-Intro in ein melancholisches Balladen-Mantra. Wer den "alten" Daniel Johnston all dem vorzieht, wird mit den drei neuen LoFi-Songs glücklicher, von denen "Mask" und "Last song" eine E-Gitarre bemühen, während Johnston den Opener "Sarah drove in her car" a capella singt.
Mit der Zeit entfaltet diese ungewohnte Präsentation der Songs zwar durchaus ihren Reiz. Doch wer sich in den LoFi-Johnston verliebt hat, wird umschalten müssen. "Is and always was" dürfte auch dank besserer Produktion dabei ein hilfreicher wie auch logischer Zwischenschritt zwischen den alten Zeiten und diesem Album gewesen sein. Live ist Daniel Johnston so oder so eine intensive Erfahrung - mit oder ohne Orchester. Sowieso gilt weiterhin: Lassen wir uns überraschen, was der schillernde Geist dieses Musikers noch so ausbrütet. Eine andere Wahl hat man ohnehin nicht bei ihm.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Must
- Love enchanted
- Walking the cow
Tracklist
- Sarah drove in her car
- Syrup of tears
- Must
- True love will find you in the end
- Wicked world
- Mask
- Try to love
- Devil town
- Love enchanted
- Walking the cow
- Last song
- The Beatles
Referenzen
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