
Timid Tiger - Timid Tiger and the electric island
Columbia / SonyVÖ: 26.02.2010
Spaß an der Freude
Das hatte sich der kleine Comic-Tiger sicher anders vorgestellt: Vor ziemlich genau fünf Jahren hatten Timid Tiger gerade Abitur und Plattenvertrag in der Tasche, und der nach Casio-Keyboard, Sonnenstrahlen und Zuckerwatte klingende Indiepop ihres Debüts "Timid tiger and a pile of pipers" versprach mit "Miss Murray" eigentlich mindestens einen sicheren Sommerhit. Dann machte ihr Label L'Age D'Or die Schotten dicht, und Band und Sommerhit verschwanden bis auf weiteres in den Wellen des Popgeschäfts. Doch die Kölner gingen nicht unter, sondern retteten sich auf eine einsame Insel. Und haben diese dann direkt mal komplett verkabelt: "Timid Tiger and the electric island" heißt der Nachfolger, den das Quintett in seiner Abwesenheit erdacht hat.
Ihrer Identität als digitale Indie-Beach-Boys mit Schelmen-Charme fügen Timid Tiger auf ihrem Zweitwerk noch eine gute Portion 80er-Jahre-Tönung hinzu. Nicht, dass es der Band je an apart simplen Elektrosounds gemangelt hätte, aber wo auf dem ersten Album Super Mario und Pac Man die Soundästhetik spendeten, sind es nun eher Depeche Mode oder Eurythmics. "Gadget girls" verwirklicht seine augenzwinkernden Zweideutigkeiten über technikbewusste Frauen in einem beatbetonten Synthieeffekte-Traum, wie ihn auch Alphabeat in ihrem 80er-Rückgriff zuletzt produzierten, in "Downtown city lights" erinnern die hymnisch dahinfließende Strophe und der Gesang von Keshav Purushotham überdeutlich an die Pet Shop Boys, und mit ein bisschen Fantasie lässt sich im Break der fröhlich dahingroovenden Freunde-und-Freizeit-Hymne "On sunday" der Klassiker "Tainted love" erkennen.
Von der Basis der eletrifizierten Indieband mit Sonnenschein-Zertifikat aus probieren Timid Tiger mittlerweile mehr herum: "Palm beach bar" fusioniert die Videospiel-Rockband mit einer Rap-Strandparty aus dem Timbaland- oder Pharell-Kosmos, auch das Bollywood-Zitat "Ina Meena Dika (It's happening now)" schlägt mit schweren Beats und Handclaps in diese Kerbe. "Golden arm" wagt sich sogar an Drum'n'Bass und serviert ein wenig Robotergesang auf einem zappeligen Breakbeat. Dagegen sind "Electric island" oder das etwas zu deutlich in Richtung der Hits "Miss Murray" und "Loveboat" geschriebene "House of love" bandtypische Feel-Good-Harmonien mit elektronischem Unterton. "The gardener" schließlich leiht sich die Akkorde von "Where is my mind?" von den Pixies für eine schwelgerische Akkustikballade mit Streichereinsatz.
Bei aller Experimentierlaune bleiben als Bindeglieder immer die sonnenwarme Melodieverliebtheit, der infektiöse Beat und die elektronischen Einsprengsel, die sich in (fast) jedem Song finden. Außerdem die Haltung der Band, das alles bloß nicht zu ernst zu nehmen und einfach Spaß an der Musik zu haben. Unbeschwert und spielerisch stilisieren Timid Tiger ihre Außenwirkung und bleiben dabei doch ganz die netten Normalos. Die dann auch mal eine "Transylvanian love story" über das jahrhundertelange Leben zu zweit erfinden, weil der Gedankengang so schön ist. So geht sympathische Mädchenmusik, deren Fluffigkeit keinem Jungen peinlich sein muss. Timid Tiger sind nicht reif für die Insel - sie kommen gereift von dort.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Gadget girls
- The gardener
- Downtown city lights
Tracklist
- Electric island
- Gadget girls
- House of love
- My girl's a rascal
- Palm beach bar
- The gardener
- On sunday
- Ina Meena Dika (It's happening now)
- Golden arm
- Downtown city lights
- Ghost town
- Transylvanian love story
Referenzen
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