Nicolai Dunger - Play
Fargo / Naïve / IndigoVÖ: 19.03.2010
Wau!
Man werfe flink einen Blick auf das possierliche Albumcover: Ein Mann, ein Hund - und eine große Gemeinsamkeit. Nein, dass beiden eine gewisse Verspieltheit zu Eigen ist, meinen wir an dieser Stelle nicht. Auch nicht, dass die zwei ganz offensichtlich Geschlechtsgenossen sind. Sondern diesen unglaublichen, durch nichts in die Irre zu führenden, extrem verlässlichen, ureigenen Instinkt. Wenn Dungers Waldi plötzlich Würstelgeruch in die Nase gezogen wäre, würde Herrchen jetzt alleine auf dem Albumcover liegen, in stilvollem Schwarz-Weiß. Bekannt wie ein bunter Hund ist der Schwede nämlich ungerechterweise immer noch nicht. Obwohl er so einen sensationellen Instinkt besitzt - vor allem für Melodien, aber auch für außergewöhnlich hingebungsvollen Gesang und eine Instrumentierung, die es sich zwischen Rustikalität und Eleganz sehr gemütlich macht. Mit anderen Worten: Diese Musik hat das Zeug dazu, der beste Freund des Menschen zu sein, wenn gerade kein Würstel zur Hand und kein Hund bei Fuß ist.
Gemerkt haben das schon einige: Will Oldham, The Soundtrack Of Our Lives, Mercury Rev, Calexico und das Esbjörn Svensson Trio - alle haben sie mit Dunger kollaboriert, der wiederum auch die eine oder andere Duftmarke auf anderen Werken gesetzt hat. Zuletzt auf "Colonia", dem zweiten Album von A Camp. Und weil das Duett mit Nina Persson namens "Golden teeth and silver medals" so hübsch geriet, hat er der werten Kollegin gleich eine Gegeneinladung zukommen lassen. Wer würde auch die Chance ungenutzt lassen, mit der süßen Nina zu spielen? Auf "Play" singen sie nun gemeinsam das zauberhafte "Tears in a child's eye", bei dem es durchaus angebracht ist, das bestickte Stofftaschentuch apportieren zu lassen. Die Experimente seiner letzten Alben - die folkloristisch vertonten Gedichte der schwedischen Poetin Edith Södergran, das symphonische "Nicollide and the carmic retrebution" und die Trilogie unter dem seltsamen Pseudonym A Taste Of Ra - scheinen bei den ersten Tönen von "Heart and soul", einem enthusiastischen Bekenntnis zu seiner Profession, bereits vergessen.
Dunger hat sich auf seine alten Stärken zurückbesonnen und macht endlich wieder euphorischen Folk-Pop mit dezenter Alternative-Country-Note - bodenständig, ehrlich, natürlich, traditionsbewusst und außerordentlich mitreißend. Er croont und groovt und swingt und klingt, als würde er sich beim Singen das letzte Hemd vom Leib reißen. Auch wenn seine Diskographie das anders sehen dürfte, ist "Play" der wahre Nachfolger des sechs Jahre alten "Here's my song, you can have it... I don't want it anymore / Yours 4-ever". Weil man das kurze Instrumental "Razzia" und den ebenfalls kaum einminütigen Hidden Track eigentlich nicht mitzählen kann, bleiben unterm Strich neun Stücke - und die sind durchweg fantastisch: "Crazy train" fährt durch pittoreske Landschaften und die Cymbals mit extra viel Hall klingen tatsächlich wie echtes Dampflokschnaufen. Das beschwingte "Can you" beherrscht nicht nur das große Harry-Nilsson-Einmaleins, sondern auch die Flötentöne, während "When your work is done" und "The girl with the woolen eyes" nicht mehr als eine Akustikgitarre brauchen. Im herausragenden "Entitled to play" gibt Dunger schließlich den souveränen Conférencier und sagt genüsslich ein paar nicht ganz jugendfreie Dinge. Alter Schwede, das ist schon ein dicker Hund. Aber der will doch nur spielen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Crazy train
- Tears in a child's eye (feat. Nina Persson)
- When your work is done
- Entitled to play
Tracklist
- Heart and soul
- Crazy train
- Tears in a child's eye (feat. Nina Persson)
- Can you
- When your work is done
- Time left to spend
- Razzia
- Entitled to play
- The girl with the woolen eyes
- Many years have passed
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