Painted Air - Come on 69

Green Cookie / Cargo
VÖ: 26.02.2010
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Das Beste von gestern

St. Pauli. Hand hoch, wer bei diesem Stichwort nicht sofort an die Reeperbahn gedacht hat. Ja, du da hinten? Du hast an die Totenkopf-Fußballer vom FC gedacht? Auch gut. Aber eine Zeitmaschine ist bei diesem Stichwort natürlich niemandem in den Sinn gekommen. Eine solche taucht jedoch unweigerlich vor dem geistigen Auge auf, wenn man sich das aktuelle Painted-Air-Album "Come on 69" zu Gemüte führt. Auf der Zeitreise befinden sich hierbei die Bandmitglieder selbst - auf dem Weg aus den Sechziger Jahren in die Gegenwart. Dabei legen sie nur eine kurze Pinkelpause in den Siebzigern ein, bei der sie ein wenig Krautrock und Punk aufsaugen. Angekommen im Hier und Jetzt bastelt sich die Kiez-Truppe um den dänischen Sänger Martin Klingberg aus dem Besten jeder Epoche einen eigenständigen und darüber hinaus verdammt coolen Sound. Klingt doch plausibel, oder?

Lässt man abstruse Zeitreiseträume beiseite, liest sich die nüchterne Beschreibung so: Painted Air existieren bereits seit 1990. Dem Promozettel zufolge begannen sie als "typische Sechziger-Jahre-Garage-Punk-Band", ehe nach allerlei Veränderung in Besetzung und Musikstil unter anderem der Einbau einer satten Vox-Orgel zu dem führte, was auf "Come on 69" aus den Boxen schallt und garantiert jeden Tanzboden binnen Kurzem in Brand setzt. Denn wer denkt, dass das Aufeinandertreffen eines höllischen Orgel-Lärmteppiches, eines wie aufgedreht wirbelnden Schlagzeugers und eines Gitarristen mit Punkwurzeln nichts als Chaos in sich birgt, wird schnell bekehrt. Spätestens dann, wenn der Fuß nach wenigen Takten des zackigen Openers "Hey hey" unweigerlich mitzuwippen beginnt. Die auf retro getrimmte, aber trotzdem glasklare Analog-Produktion von Trashmonkeys-Gitarrist Dennis Rux setzt zudem schön Klingbergs eindringliche Stimme in Szene, die den unwiderstehlich groovenden Mischmasch komplettiert.

Wie verstockte Ewiggestrige klingen Painted Air trotz aller Sixties-Verliebtheit aber zum Glück nicht. Kein Wort von "Lucy in the sky", von "Light my fire" oder ähnlichem Psychedelic-Schmonz. Vielmehr handeln die Lieder von St. Pauli und all seinen Gestalten, sei es nun der hedonistische Trinker, der liebeskranke Idiot oder der verlorene Junkie. Die Texte sind dabei gar nicht so sehr von Belang, denn die Musik transportiert deren oftmals aufblitzende Melancholie nämlich genauso intensiv. Seien es nun Beat-Stampfer wie "Make it real", "Night lies" oder "I don't get it". Oder wütende Punk-Bretter wie "Drain your blood". Oder auch gedrosselte Rocknummern wie "Bliss" und "Morphine". Trotz der oftmals düsteren Thematik und des auf Dauer etwas anstrengenden Orgelgedröhnes lädt jeder einzelne Song auf diesem überraschend stimmungsvollen Album bedingungslos zum Tanzen ein. Also, her mit der Austin-Powers-Verkleidung vom letzten Fasching. Schon lange nicht mehr war es so einfach, bizarre Verrenkungen auf dem Tanzboden aufzuführen und dabei kein bisschen peinlich zu wirken. Jetzt auch ohne Zeitmaschine.

(Mark Read)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hey hey
  • Restless hedonist
  • Bliss
  • Morphine

Tracklist

  1. Hey hey
  2. Make it real
  3. Restless hedonist
  4. Night lies
  5. Every night a new surprise
  6. Bliss
  7. Drain your blood
  8. I don't get it
  9. Morphine
  10. Don't be jealous
  11. Goodbye
  12. Come on 69
Gesamtspielzeit: 33:32 min