Kashmir - Trespassers
SonyVÖ: 05.03.2010
Alle Richtungen
Nein, so ganz konnten Kashmir das Vorurteil mancher Kritiker bisher nicht entkräften, die Band sei doch eh nur eine Westentaschen-Ausgabe von Radiohead. Das große Gitarren-Pop-Album - und, nebenbei, vielleicht Kashmirs beste, weil wärmste Platte - "The good life" klänge zu sehr nach "The bends", fanden viele. Und "Zitilites" sei eine kleine Version von "OK Computer", eindeutig. Und "No balance palace" ebenso. Auch im Grunde nur gut abgeguckt von Radioheads Meisterwerk von 1997. Wer mehr Größe heraus hört, der sei auf beiden Ohren blind. Naja, so ganz unrecht haben diese Kritiker nicht. Auch "Trespassers", das sechste Studioalbum der Dänen um den eigenbrötlerisch wirkenden Frontmann Kasper Eistrup, zieht erneut freiwillig Querverweise zu den Briten. Doch wenn dabei mindestens das dritte große Album von Kashmir herauskommt, dann kann das doch völlig egal sein.
Beginnen wir doch erst einmal mit den Stücken, die böswillige Menschen umgehend in der Luft zerfetzen werden. Da drängelt sich "Pallas Athena" nach vorne, wedelt mit beiden Armen und ruft nach Aufmerksamkeit. Kashmir sind nun auch endlich bei "Kid A" angekommen, genauer gesagt bei den beiden Un-Songs der Platte, "Everything in its right place" und dem Titeltrack. So unmenschlich kühl verzerrt klingt Eistrup, dass der Song am liebsten gleich completely disappearen möchte, und zwar Hand in Hand mit dem "Motion picture soundtrack". Auch das abschließende "The Indian (That dwells inside this chest)" könnte kaum näher an den großen Vorbildern sein und windet sich in Yorkeschen Duktus um die Melodie herum. Ja, man könnte noch viel mehr finden, wenn man wollte. Und natürlich daran herumkritteln.
Man kann dieser Band aber auch einfach mal gratulieren. Zu einem Album, das sie erneut in intensiver Klein-Klein-Arbeit zusammenkomponiert haben. Zu einem Album, über dem zwar immer eine gewisse Schwere liegt, das aber trotzdem irgendwie immer leichtfüßig wirkt. Zu "Mouthful of wasps" in seiner sphärischen Hingabe zum Gitarren-Pop und der Tatsache, dass wohl niemand außer Eistrup diesen gedämpften Song trotzdem im Refrain hochziehen und fast hymnenartig auftrumpfen lassen kann. Dazu, dass ein introvertiertes, kühles, mechanisches Stück wie "Intruder" niemals die Nähe zu einer auch für den Menschen wahrnehmbaren Melodie verliert. Zum wunderschönen Pop-Song "Still boy", der nach vier Minuten für einen kurzen Augenblick innehält, nur um danach um so größer zu explodieren. Und natürlich zu dem Track, der sich mit seinem flirrenden Mantel aus Atmosphäre und Eleganz über all die anderen legt: "Bewildered in the city" schwebt sechs Minuten über diesem Album und betrachtet das wuselige Geflimmere und Geflirre auf "Trespassers" aus einer erhabenen Höhe.
Gegen Ende legt sich das Album etwas zur Ruhe und verzichtet ein wenig auf die elektrische Gitarre. Stattdessen regieren im mit orchestralem Touch versehenen "Danger bear" die Streicher und das Klavier. Auch das steht den Dänen hervorragend. Wie endlich wieder fast alles auf "Trespassers". Nach dem in der Nachbetrachtung trotz oder gerade wegen der Gastauftritte von David Bowie und Lou Reed doch etwas überkandidelten und ziellosen Vorgänger "No balance palace" haben sich Kashmir wieder gefangen. Und sich auf ihre Stärken besonnen. Die letzten dramatischen Töne des Albums liefern erneut die Streicher und geleiten weiter weg von Radiohead, als Kashmir je waren. Aber ob die bösen Kritiker das auch bemerken?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mouthful of wasps
- Still boy
- Bewildered in the city
- The indian (That dwells inside this chest)
Tracklist
- Mouthful of wasps
- Intruder
- Mantaray
- Pallas Athena
- Still boy
- Bewildered in the city
- Pursuit of misery
- Time has deserted us
- Danger bear
- The indian (That dwells in this chest)
Im Forum kommentieren
Mr Oh so
2015-01-07 16:21:41
Besser ne späte Einsicht als nie. ;-) Viel Spaß mit einem tollen Album.
BibaButzemann
2015-01-07 16:14:40
Ich zitiere mich mal aus diesem Thread (wenn ich das denn damals war):
Biba Butzemann
25.02.2010 - 15:39 Uhr
Langweilig, das war das erste was mir einfiel. Geändert hat sich daran nichts
Was für eine Fehleinschätzung! Solche Bravorösen Melodien und Textführungen.
Auf einer Ebene mit Zizilites und EAR.
Höre ich derzeit ständig und werde nun auch noch die anderen Alben in Angriff nehmen.
rainy april day
2012-05-09 02:01:24
Und Still Boy ist immer noch überwältigend ohne Ende...
porge
2011-06-22 20:54:24
Bin ein wenig verwirrt. Live fand ich die so super beim Hurricane, aber auf Konserve erkenne ich die Band nicht wieder. Geht das nur mir so?
musie
2011-03-17 14:31:06
YES! wieder beim southside und hurricane :-)
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