Lightspeed Champion - Life is sweet! Nice to meet you.
Domino / IndigoVÖ: 12.02.2010
Ganz meinerseits
Was für eine Überraschung! Devonté Hynes, ehemals Mitglied der aufgelösten britischen Dance-Punk-Rabauken Test Icicles, spielte vor zwei Jahren auf seinem Debüt "Falling off the lavender bridge" plötzlich astreinen Omaha-Folk und verstörte so nicht wenige Fans seiner Vorgängerband, die mit ihrem säuregetränkten Genre-Bastard bekanntlich eher Autos in Brand setzten, als Gitarre zupfend auf einer Veranda im Mittleren Westen sitzend den Staubballen beim Wachsen zuzuschauen. Klar, inzwischen ist es Usus, dass anerkannte [Insert-whatever]-Core-Künstler einen Gang zurückfahren, um auf ihren Soloausritten den unterdrückten Bruder Folk auszuführen, doch Hynes’ Wandel vom chaotisch-exaltierten Paulus zum entspannten Singer/Songwriter-Saulus war ein Erfolg. Sein Solo-Debüt, das er unter dem Pseudonym Lightspeed Champion veröffentlichte, fand auch bei Menschen Anklang, die mit Omaha zunächst nur Warren Buffets Milliarden verbinden.
Was ist also zu bewerkstelligen, um mit der zweiten Platte lähmenden Selbstwiederholungen aus dem Weg zu gehen? Welche Pfade sind einzuschlagen, um aufregend zu bleiben? Krawall-Punk: Ist abgehakt! Folk: Hatten wir schon! Space-Pop-Prog mit Ausflügen in klassische Kammermusik: Wieso nicht? So ironisch und ulkig sich dieser imaginäre Fahrplan auch lesen mag, zeigt er doch in etwa den Weg auf, den Lightspeed Champion neuerdings einschlägt. Hynes studierte in den letzten zwei Jahren die Backkataloge von David Bowie und Serge Gainsbourg, verinnerlichte den experimentierfreudigen und teilweise megalomanen Gestus seiner Helden und nahm diese Einstellung mit ins Studio. Dort wartete mit Ben Allen der Mann, der Freidenkern wie Animal Collective schon den Teufel aus- und eine Popverliebtheit (wenn auch eine ziemlich verschrobene) eingetrieben hat.
Wer nun erwartet, dass sich Lightspeed Champion mit großen Schritten dem avantgardistischen Freakpop der vier New Yorker annähert, liegt ziemlich daneben. Zwar versucht sich Hynes im Freispiel, doch im Grunde zieht es ihn immer wieder zurück zu den Refrains, die die Arme ausbreiten und in leicht schiefer Tonlage "Life is sweet! Nice to meet you." schluchzen. Womit man schon bei einem wichtigen Eckpfeiler der Entstehung dieser Platte wäre: Dev Hynes' Stimme. Aufgrund akuter Stimmbandprobleme konnte er monatelang nicht singen, was ihn dazu veranlasste, sich voll und ganz der Komposition neuer Songs zu widmen. Und wenn hier Komposition steht, dann meint das Komposition im wahrsten Wortsinn. Die 15 Stücke repräsentieren nun einen Flickenteppich an Ideen, Stilen, Genres und anderen Absonderlichkeiten.
Lightspeed Champion hat an ziemlich vielen Töpfen genascht, allerdings vergessen, sich den Mund abzuwischen. Bei all der Vielfalt und Lässigkeit der Songs entsteht so das Gefühl, viel eher einen Sampler, als ein in sich schlüssiges Album zu hören. Selbst die beiden Interludes, die eine Kohärenz vortäuschen sollen, können dies kaum vertuschen. So kann es passieren, dass man als Hörer von der schieren Wucht an Ideen und Experimenten erschlagen wird oder, wie damals zu Kindeszeiten, von zu viel des Süßen Bauchschmerzen bekommt. Doch diese Begleiterscheinungen verzeiht man ihm gerne, wenn dabei so grandiose Floorfiller wie "Marlene" (inklusive gniedelnder Gitarre) oder hakenschlagende Verwirrspiele à la "Middle of the dark" um die Ecke schauen. Nice to meet you too.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Marlene
- Faculty of fears
- Middle of the dark
Tracklist
- Dead head blues
- Marlene
- There's nothing underwater
- Intermission
- Faculty of fears
- The big guns of Highsmith
- Romart
- I don't want to wake up alone
- Madame van Damme
- Smooth day (at the library)
- Intermission 2
- Sweetheart
- Etude op. 3 "Goodnight Michalek"
- Middle of the dark
- A bridge and a goodbye
Referenzen
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