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Yeasayer - Odd blood
Mute / EMIVÖ: 05.02.2010
Space oddities
Nein, der britische Geheimdienst hatte vermutlich nichts damit zu tun, dass während der Aufnahmen zu "Odd blood" angeblich mehr Mäuse ihr Leben lassen mussten, als Songs auf dem Album sind. Obwohl Yeasayers Motto inzwischen anscheinend "Die Welt ist nicht genug" lautet. Auf ihrem Debüt "All hour cymbals" verzwirnte die Band vor zwei Jahren weit verzweigte Musikwurzeln "nur" wundersam zu einem besonderen Ganzen. Gelenkige Basslinien tanzten über vertrackte afrikanische Rhythmen, der Gospel trank mit hypnotischen Motivschleifen Brüderschaft, und krudeste Stilgegensätze lagen sich in den Armen wie bei einem internationalen Zeltlager. Großartig, aber letztendlich doch irdisch.
Auf "Odd blood" wirkt es nun, als hätten Yeasayer diesen bunten Haufen in ein Raumschiff mit Kurs Unendlichkeit und noch viel weiter gesteckt. Was genau dann im All passiert sein mag? Womöglich weiß es der MI6. Vielleicht ist die komplette Bordelektronik explodiert, wobei alles stromgeschockt durcheinander purzelte. Oder aber sie haben auf einem fernen Planeten einen Reigen schillernder, wuselnder Effekt-Tierchen aufgestöbert und sie mit an Bord ihrer interstellaren Arche genommen. Denn eine muntere Horde komischer Geräusche umturnt nahezu jeden Song auf "Odd blood".
Allerorten zischt und zerrt, brummt und blubbert, knarzt und knackt, hallt und knallt es in den ungemein groovenden Songs. Gesangslinien werden durch den Fleischwolf gedreht, Orgeln kreiseln sich schwindelig, Keyboardflächen verkleben den Horizont. Dann zerspringen sie plötzlich in unzählige Teilchen und pumpen künstliches Blut in galoppierende Knaller wie die umwerfende Single "Ambling alp", die sich selbst an ihren mitreißenden Falsett-Refrains berauscht. Und wer weiß: Nachdem Schlagzeuger Luke Fasano kurz vor den Aufnahmen im Streit das Handtuch schmiss, haben Yeasayer womöglich auf dem Dachboden einen dreißig Jahre alten Sampler mit Drumsounds entdeckt, aus denen sie die verschachtelten, übermütigen Grooves zusammengeschraubt haben.
Die pulsierende Elektronik nährt auch die Vermutung, dass die Band neuerdings dem erotischen Kribbeln der Tanzfläche verfallen ist. Vieles knallt weit fetter und drängender als zuletzt - nicht jedoch ohne Falltüren und wilde Wendemanöver. Achtziger-Jahre-Gassenhauer mit kräftigem Sockenschuss? Sind vorhanden. Soft Cell unter dem Einfluss halluzinogener Aufputschmittel? Kommt auch hin. So ist "Odd blood" eine prallvolle elektronische Wundertüte, in der unbändige Experimentierfreude um famose Songideen tobt. Und ehe sich die Hörahnung verfestigen kann, zücken Yeasayer den Eulenspiegel und drehen einem eine lange Nase. Ein Radikalschnitt, der die alte Welt hinter sich lässt und ein völlig neues Klanguniversum erschließt. Wenig bleibt, wie es einmal war, doch nichts ist, wie es scheint. Verstörend. Betörend. Wahnsinnig. Und wahnsinnig gut. Und auch wenn Shakespeare mit diesem Album ebenso wenig zu tun hat wie der britische Geheimdienst, kann man über "Odd blood" das gleiche sagen wie Polonius einst über Hamlet: "Wie treffend manchmal seine Antworten sind! Dies ist ein Glück, das die Tollheit oft hat." Und "toll" ist hier bestimmt nicht zu hoch gegriffen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ambling alp
- O.N.E
- Love me girl
- Rome
Tracklist
- The children
- Ambling alp
- Madder red
- I remember
- O.N.E
- Love me girl
- Rome
- Strange reunions
- Mondegreen
- Grizelda
Im Forum kommentieren
Gomes21
2023-01-26 14:33:41
Odd Blood werde ich jetzt erst mal wieder anschmeißen, lief lange nicht, das Debüt dagegen zumindest teilweise recht regelmäßig. Love me girl und madder red hab ich in sehr guter Erinnerung. Gerade mal in ne KEXP Session reingehört, ich wünschte ich hätte sie noch ein weiteres mal live gesehen!
AliBlaBla
2023-01-26 13:13:31
@Gomes21
Der Opener, sicher ("The children"), aber auch "Madder red" und "One", "Love me girl" sind irre (schöner Sound auch das Ganze, futuristisch..), allein.."Rome" is mir zu sehr Abklatsch von "The Lovecats"..
Ihr debut läuft bei mir am häufigsten, nur die allerletzte Platte hatte mich nicht mehr, der Rest war immer noch interessant!
Und bei dir?
Gomes21
2023-01-26 12:58:46
Ja sehr schade, war auch ne fantastische Live Band. Haben mich danach etwas verloren, aber auch einige Songs von "All Hour Cymbals" höre ich noch verdammt gerne, Sunrise, 2080 oder Forgiveness z.B.
Was sind deine Highlights von Odd Blood?
AliBlaBla
2023-01-26 12:46:21
Erstaunlich gut gealtertes Teil,..war damals (2010) schon der hotteste Shit, an weird disco..leider gibt es sie ja nicht mehr..
Heulender Vollpfosten
2010-12-12 02:02:38
Siiiiiiiiiiiiiiiiiiiiick
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