Starsailor - Love is here

Chrysalis / EMI
VÖ: 22.10.2001
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Eyes wide shut

Wie tief muß John Paul Young einst die laue Frühlingsbrise inhaliert haben, um zu dem Schluß "Love is in the air" zu kommen? Wie sehr muß John Denver seine Augen zugekniffen haben, um festzustellen "Love is everywhere"? Und wie müssen die Fingerkuppen und Zehenspitzen der Troggs vibriert haben, bis sie es endlich aus sich herausließen: "Love is all around". Doch niemand, keiner von ihnen wollte je wissen, erfahren, begreifen, was Liebe ist. Viel entscheidender schien doch für alle zu sein, wo sie ist. Auch Starsailor müssen nicht lange gesucht haben, um sie zu finden: "Love is here". Liebe ist nicht überall, schwirrt nicht diffus in der Luft herum, sondern ist genau an einem Ort: wo man sich selbst befindet. Wenn man sich nur darauf einläßt, sie zu empfinden.

Für manche Zeitgenossen ist die Daumenschraube namens "Kitsch" ja bereits zu fest angezogen, wenn sie das L-Wort bereits über fremde Lippen kommen sehen. Welch eine Qual muß es für diese Menschen erst bedeuten, das Debütalbum von Starsailor am Stück durchzuhören? Dabei auf eine markante Stimme wie die von James Welsh zu stoßen, die Zeilen wie "There's a hole inside my soul" leidet. Von Bekenntnissen wie "I wanna love you but my hands are tied" eines übergezogen zu bekommen. Und wenn sie in den letzten Atemzügen liegen, von "You can't love what you have not / So hold on to what you've got." den Exitus verpaßt zu bekommen? Ich weiß es nicht. Aber ich gehöre auch nicht zu dieser Sorte Mensch. Und Starsailor geben mir das Gefühl, damit nicht alleine zu sein. "Can you feel it? Love is here." Ja, James, wir können. "It has never been so clear."

Die Welt lebt von ihren Extremen. Tod und Leben. Haß und Liebe. Slipknot und Starsailor. Schwarz und... eben nicht. Denn Starsailor zeichnen in ihrer eigenen Couleur, springen kopfüber in ein Becken voller roter Farbe und suhlen sich darin ohne Rücksicht auf Verluste. Was keineswegs bedeuten soll, daß bei Starsailor durchweg eitel Sonnenschein herrscht. "Man, I must have been blind / To carry a torch / For most of my life", stellt Walsh fest und klagt in Songs wie "Fever" oder "Talk her down" über unerfüllte Liebe, ohne jedoch Mitleid einzufordern oder den Tränen freien Lauf zu lassen. Das Glas ist halb leer, stellt er fest, um es daraufhin trotzig in die Hand zu greifen und bis auf den letzten Tropfen auszusaugen.

Unentschlossenheit wäre ohnehin fehl am Platze. Denn nachdem die aktuellen britischen Superstars Coldplay und Travis heißen, müßte es schon mit dem Teufel zugehen, wenn die kommenden nicht auf den Namen Starsailor hören würden. Wenn seine drei Mitstreiter ihm ein instrumentales Bett aus Rosen bereiten, Jason Walshs Finger über die Tasten huschen und das Mikrofon vor Scham errötet, stehen ihnen die Arme der "Good souls" dieser Welt und nicht nur Großbritanniens sperrangelweit offen. Auch wenn Walsh sich scheinbar mit voller Absicht immer wieder augenzwinkernd im Ton vergreift: "Don't you know you've got your daddy's eyes" preßt er hervor, um, ehe man ihm geschmeichelt um den Hals fällt, anzufügen: "Daddy was an alcoholic". Hart, aber herzlich.

Daß sich Starsailor nach einem Album des großen Tim Buckley benannt haben, kann anhand der stimmlichen Ähnlichkeiten ebensowenig als Zufall gelten wie die Tatsache, daß in den Texten immer wieder von "Daddy" and "Son" die Rede ist. Denn die vier Briten haben sich nicht als einzig legitime Erben ins Testament der viel zu früh verstorbenen Tim und Jeff Buckley eingetragen, sondern auch Drake, Cohen und die jahrzehntelange Essenz aller großen introvertierten Songwriter in ihr Herzblut aufgesogen. Und es fließt unaufhaltsam.

(Armin Linder)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fever
  • Talk her down
  • Love is here
  • Good souls

Tracklist

  1. Tie up my hands
  2. Poor misguided fool
  3. Alcoholic
  4. Lullaby
  5. Way to fall
  6. Fever
  7. She just wept
  8. Talk her down
  9. Love is here
  10. Good souls
  11. Coming down
Gesamtspielzeit: 54:45 min

Im Forum kommentieren

Helferlein in Not

2010-12-28 21:03:20

"Way to fall" mag ich nicht ganz so sehr, der Rest ist genial. 9/10.

novemberfliehen

2010-12-27 21:11:35

Clem Snide? Neutral Milk Hotel? Die alten nasalen Decemberists-Sachen? ;)

Highlights für mich: Alcoholic, Way to Fall, Coming Down

Highlights wechseln ständig. 9/10 ist absolut gerechtfertigt.

Hanno

2009-10-03 19:21:43

Vielleicht kann mir jemand helfen: Höre die Platte gerade zum ersten Mal und meine, daß mich der Sänger ganz stark an den Sängern einer anderen bekannten Band erinnert, deren Namen mir partout nicht einfallen will.

Bei Wikipedia habe ich schon nachgesehen, aber offenbar hat er immer nur für Starsailor gesungen ...

château Schrot-Grenze

2009-08-04 02:54:18

Wieso so traurig, sie sind doch wieder besser geworden :) "All the plans" ist zwar teilweise etwas langweilig und sehr unspektakulär, aber Starsailor haben wieder richtig tolle Songs abgeliefert.
Schade dass das neue Album ziemlich gefloppt ist - Platz 26 im UK (OTO war damals auf Platz 13), kein Einstieg in die deutschen Top 100.

exciter

2009-08-03 19:51:14

wirklich schade, dass starsailor nie wieder diese besondere intimät des debutalbums erreicht haben.

Can you feel it?
Love is here,
It has never been so clear,
You can't love what you have not,
So hold on to what you've got

*seufz*

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum