Laura Veirs - July flame
Bella Union / Cooperative / UniversalVÖ: 08.01.2010
Sommer im Winter
Es ist ein gutes und befriedigendes Gefühl, wenn die bekannten Formeln versagen. Wenn Facebook einem Casting-Superstar zu Weihnachten den erwarteten Nummer-Eins-Hit vor der Nase wegschnappt. Wenn statt der Sportstudenten der sympathische 150-Kilo-Kumpel mit dem derbem Charme die tolle Frau abkriegt. Und wenn die amerikanische Folktradition einmal nicht so betont neo und indie, nicht so barfüßig, hornbrillig, langbärtig, karohemdig und überhaupt kauzig-männlich daherkommt. Laura Veirs gehört zu diesen angenehmen Abwechslungen: Die Formalitäten der Aufmerksamkeitssteuerung überspringt die Amerikanerin einfach und beweist, dass zwischen den Polen von kratzigem Weirdo-Folk und gestriegelter, weiblicher Jazz-Matinee-Akustik Platz für so etwas wie Normalität ist.
Stattdessen singt sie auf ihrem siebten Studioalbum zu flockigem Gitarrenpicking unprätentiöse Lieder, die von sommerwarmer Melancholie durchflutet werden. Weil weder Verpackung und Oberflächlichkeiten den Blick verstellen, breiten sich all diese Geschichten schnell im Kopf aus: Beinahe schmeckt man selbst die sonnenwarme Süße der titelgebenden Pfirsichsorte, die Veirs auf einem Ausflug in einer abgelegenen Farmerscheune entdeckte. Fast fühlt man sich angesprochen, wenn sie in der erst zur Mitte bedächtig anhebenden Piano-Ballade "Little deschutes" angesichts einer komplizierten Liebe die Gefühle übermannen: "I want nothing more / Than to dance with you."
Die leisen Liebeserzählungen stehen im Kontext eines fröhlich abgehangenen Sommerreigens: "Sun is king" heißt es federleicht und countryesk zu putzig verschlurfter Steel-Guitar, wenig später behauptet die Sängerin "Summer is the champion" und klingt dabei fast ein wenig nach den Cardigans. Eine Atmosphäre wie ein in warme Rot- und Gelbtöne getauchtes Foto vergangener Sommertage auf dem Land, dem "Life is good blues" die passende Lagerfeuer-Gitarre für den Abend spendiert. Mehr als einmal flutet dabei ein aufwühlender Mittelpart die Herzkammern, etwa wenn Veirs in "When you give your heart to me" Natur- und Liebeserleben zusammenführt: "And my stampeding buffalo / Stops in her tracks and watches the snow / Falling through the old oak tree / When you give your heart to me". Oder wenn Cello und Zupfgitarre sich in "Where are you driving?" auf ihrem ungewissen Weg dem Klavier und der Violine ergeben.
Es passt einfach alles zusammen auf "July flame": die sanfte Stimme mit ihrer Ahnung von Schrillheit, die gezeitengleiche Ruhe in der parallelen Dynamik von Musik und Text, die stille Emotionalität und die unaufgeregte Aufmachung. Hinzu kommen Sympathiepunkte für die Referenzen wie etwa die Ehrerbietung vor der legendären Session-Bassistin "Carol Kaye" und das an ein gleichnamiges Arthur-Rimbaud-Gedicht angelehnte "Sleeper in the valley", in dem sich Veirs einfühlsame Musik und der hochpoetische Text zu einer atemberaubenden, leisen Dramatik verbinden. Was soll man da noch sagen gegen diese anrührende Sommerplatte mitten im Winter? Für zu brav und zu schlicht werden sie nur diejenigen halten, die noch nicht in Ruhe zugehört haben. Colin Meloy von den Decemberists hielt sie dagegen bereits 2009 für das beste Album von 2010. Und die Schöpferin? Gibt sich bescheiden, während sie mit vokaler Schützenhilfe von My Morning Jackets Jim James den Schlussakkord singt: "I wanted to make something sweet, strong, pure." Es ist ihr gelungen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- July flame
- Where are you driving?
- Little deschutes
- Sleeper in the valley
Tracklist
- I can see your tracks
- July flame
- Sun is king
- Where are you driving?
- Life is good blues
- Silo song
- Little deschutes
- When you give your heart
- Summer is the champion
- Sleeper in the valley
- Wide-eyed, legless
- Carol Kaye
- Make something good
Referenzen
Spotify
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