The Album Leaf - A chorus of storytellers

Sub Pop / Cargo
VÖ: 05.02.2010
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Dauerschleifen

Sie firmiert als Grundlage des sicheren Tritts und ist ein besonders beklatschenswertes Ereignis in der Ontogenese jedes Kleinkindes. Sie verspricht Halt und hat doch Instabilität zur Bedingung. Die Schleife - ein hochaufgeladenes Symbol der Kulturfähigkeit. Ein schwierig zu erlernendes, recht komplexes und doch in der Funktion so wunderbar einfaches Prinzip. James LaValle schnürt sich als The Album Leaf mit ihr immer noch seine Schneeschuhe. Selbst wenn er sein Fortbewegen eher als getragen interpretiert: "There's a wind behind everyone / That takes us through our lives / I wish I could have stayed / But this wind takes me away." Dabei präsentiert "A chorus of storytellers" ein Beharren auf alten Tugenden und das Zusammenwachsen des seit "In a safe place" weitgehend unangetasteten Kerns von The Album Leaf zur gleichberechtigt aufspielenden Band. Dennoch mag LaValle mit diesen Zeilen nicht allein die eigene Entwicklung gemeint, sondern auch an frühere Weggefährten gedacht haben.

Denn die genau zwischen Offbeat und Auftakt geschlagenen Beats von "Almost there" und "There is a wind" reichen in der Tat beinahe an die so wunderbar verschachtelten und doch fließenden Rhythmen der frühen Tristeza heran. Doch während diese sich nach LaValles Ausstieg - und zwischenzeitlichem, bewusst ziellosem Herumgejamme zwischen Tango und Trance - letztjährig mit dem ebenso komplexen wie melodiösen "Fate unfolds" freischwimmen konnten, stecken The Album Leaf auf dem alten Wohlfühldampfer doch auch in der Genuss-Falle. Dass Tristezas Postrock 3.0 kaum mehr Chancen auf einen europäischen Vertrieb hat, dürfte ebenso klar sein, wie die Tatsache, dass The Album Leaf sich längst noch nicht überflüssig gemacht haben.

Wie bei "Summer fog", "Tied knots" und "Falling from the sun" knistern zunächst die Notwist-Beat-Klettverschlüsse, schalten sich Gitarren-Hallräume, dann in aller Ruhe Zupffiguren, einzelne Orgeltöne und Slide-Gitarren, Glockenspiele und Klavierdreiklänge hinzu. Schließlich tropft hier alles in schwelgerisch verwirbelten Figuren ineinander und aufeinander zu, und spätestens die allzeit wimmerbereite Geige knotet eskapistische Kopfkino-Dauerschleifen daraus. Das ist sowohl ein sich stets wiederholendes Einmaleins in wohltemperierter Melancholie, als auch in all seiner offensiven Eleganz und verschämten Entschlossenheit viel zu gut interpretiert, um einfach darüber hinwegzugehen, -gleiten oder -fliegen.

Sprich: Bewegung in alle möglichen Richtungen und Dimensionen ist erneut das stärkste Motiv von The Album Leaf. Auch musikalisch geht es um Halt und die möglichst leichtläufige Erlösung gleichermaßen. Dass in diesem Sinne vor allem das instrumental munter voranhüpfende "Stand still" eines der besten Stücke des Albums ist, bleibt dennoch bezeichnend. Ebenso, dass das mit den immergleichen Mitteln so wunderbar dramatisch aufspielende und sich steigernde "Until the last" beinahe im Unbewusstseinsstrom dieser Musik unterzugehen droht. Denn letztlich bleibt "A chorus of storytellers" doch ein riesiger Dampfer, der weit draußen auf dem Ozean seine Runden dreht. Nicht träge voranschippert, nicht ziellos umherirrt. Seinen Wendekreis allerdings kaum vergrößert. Gut zu wissen, dass er da draußen ist. Aber doch auch schade, ihn immer seltener irgendwo ankommen zu hören.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • There is a wind
  • Stand still
  • Until the last
  • Almost there

Tracklist

  1. Perro
  2. Blank spaces
  3. There is a wind
  4. Within dreams
  5. Falling from the sun
  6. Stand still
  7. Summer fog
  8. Until the last
  9. We are
  10. Almost there
  11. Tied knots
Gesamtspielzeit: 49:58 min

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