Lindstrøm & Christabelle - Real life is no cool
Smalltown Supersound / Al!veVÖ: 22.01.2010
Hängemattenfunk
Der norwegische Winter ist kalt, lang und dunkel. Viel Zeit also für musikalisch ambitionierte Einwohner, sich zu nachtschwarzem Black Metal die Hände an lichterloh brennenden Kirchen zu wärmen, die Geräusche schmelzender Polkappen und zerberstender Eisberge zu geisterhaft-unheimlichen Ambientungetümen aufzutürmen oder wie Hans-Peter Lindstrøm aus entrückten Krautrock- und Cosmic-Disco-Klängen halbstündige, sehr bärtige Endlostracks zu basteln. "Where you go I go too" hieß 2008 jenes Album, das für sein Titelstück gleich zwei Plattenseiten benötigte. Angesichts solch epischer Dimensionen überrascht die Nachricht, dass parallel dazu zusammen mit der Sängerin Christabelle eine zweite, ungleich poppigere Platte entstand. Diese arbeitet sich zwar ebenfalls an Disco ab, kommt mit ihrer songorientierten Ausrichtung aber deutlich mehr auf den Punkt.
Was nicht heißt, dass Lindstrøm nicht auch hier herauszufordern wüsste - wenn auch nicht durch die schiere Länge der Stücke. Bevor "Real life is no cool" mit tuckernden Synthesizern und Lasersounds das Raumschiff startet, dreht er bereits im Opener "Looking for what" das ganze Album vorab rückwärts durch den Wolf und wiederholt diesen Trick gegen Ende bei "Never say never" noch einmal. Was sich aber noch als experimentelle Spielerei abtun lässt, denn die eigentliche Hürde kommt erst mit "Baby can't stop", dem Mittel- und Höhepunkt von "Real life is no cool". Diese Mischung aus Princes "Let's go crazy", unnachahmlichem Michael-Jackson-Groove und den Blümchenhemden von Miami Sound Machine dürfte bei Verächtern von Achtziger-Sound nämlich die Sehnsucht nach einem stillen Fjord auslösen. <ü>Beim Zeitlupengroover "Lovesick" mit seiner "Another brick in the wall"-Gitarre oder dem strahlenden Vangelis-Cover "Let it happen" wickelt sie Lindstrøm aber dann doch um den kleinen Finger. Auch vor Giorgio Moroder und Donna Summer wird mit "Let's practise" der Hut gezogen, wobei diese beiden allerdings seinerzeit mehr Glamourfaktor entwickelten als heute "Real life is no cool". Exaltierte Diven sind aber auch gar nicht das, was Lindstrøm im Sinn hat. Er holt lieber die synthetischen Glockensounds, an denen "Keep it up" federleicht durch die Lüfte schwebt, mit dem tonnenschweren Groove von "Music of my mind" wieder auf den Boden. Das Songwriting könnte zwar bisweilen zupackender sein - "So much fun" dudelt etwas ziellos vor sich hin, "Let's practise" verrät den Jamcharakter, aus dem heraus das Album entwickelt wurde. Sobald "High & low" in die Sonnenstrahlen blinzelt, ist den beiden aber auch das wieder verziehen. Lindstrøm kann eben auch Hängemattenfunk.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Let it happen
- Music in my mind
- Baby can't stop
- High & low
Tracklist
- Looking for what
- Lovesick
- Let it happen
- Keep it up
- Music in my mind
- Baby can't stop
- Let's practise
- So much fun
- Never say never
- High & low
Referenzen