Charlotte Gainsbourg - IRM
Because / WarnerVÖ: 11.12.2009
Gesundheit
Alle Welt machte sich in letzter Zeit Sorgen um Charlotte Gainsbourg. Wie sie es bloß mit Regie-Extremist Lars von Trier bei den Dreharbeiten zum skandalträchtigen Spielfilm "Antichrist" ausgehalten hat? Was wohl in einer Frau vorgehen mag, die notfalls ihr Leben für die Rolle in einem Streifen gegeben hätte, in dem die Protagonistin ihren Gatten kastriert und sich anschließend selbst genital verstümmelt? Nun, gestorben wäre die Französin um ein Haar tatsächlich - allerdings nicht bei der Schauspielerei, sondern an einer gerade noch rechtzeitig diagnostizierten Hirnblutung. Was so ein bisschen Method Acting dann schnell zur Randnotiz degradiert. Gainsbourg hat den Teufel also nicht im Leib. Sondern höchstens hinterm Mischpult sitzen. Oder zumindest den Mann, der einst von sich behauptete, einen "Devil's haircut" in his mind zu tragen.
Und schon die ersten Minuten von "IRM" zeigen, dass Beck Hansen ein idealer Erfüllungsgehilfe für ein Album ist, das unter anderem das Verstörende einer lebensbedrohlichen Krankheit thematisiert. Was immerhin die musikalische Verarbeitung der Geräusche eines Kernspintomographen nach sich zog, der gerade eine "imagerie par résonance magnétique" durchführt. Womit auch das merkwürdige Akronym aus dem Albumtitel geklärt wäre. Um mit dem Titelstück sowie dem Opener "Master's hands" klarzukommen, braucht man trotz moderater Länge jedoch etwas länger. Durch beide Songs klappern sich sperrige LoFi-Percussions, spartanische Gitarrenlicks und elektronische Knurpseleien, deren gereizte Spannung Gainsbourg mit ihrer Stimme nur begrenzt zu entschärfen vermag.
Doch da sie sich natürlich nicht so einfach einen fremden Sound überstülpen lässt und Beck ein umsichtiger Produzent ist, geht es auf "IRM" nicht die ganze Zeit so weiter. Was beiden vor allem jene Hörer danken werden, die vor drei Jahren "5:55" als chillige Nachtmusik schätzten. "Le chat du café des artistes", eine Coverversion des kanadischen Chansonniers Jean-Pierre Ferland, rückt "IRM" in ein harmonischeres Licht und lässt mit brillanten Streichern und Tiefe im Arrangement erahnen, warum Gainsbourg bereits mit Musikern wie Air, Neil Hannon oder Jarvis Cocker zusammenarbeitete. Ein Stück später ist man bei der launig rumpelnden Duett-Single "Heaven can wait" mit Beck angelangt und bekommt vor Ohren geführt, was hätte herauskommen können, wenn Pete Yorn und Scarlett Johansson unlängst nicht bloß einen Quickie geschoben hätten. Schon ist die Welt wieder in Ordnung.
Wenigstens beinahe. Zwischen glänzenden Breitwand-Pop-Nummern wie "Time of the assassins" oder "Miss Jane Doe" und einigen herzlich verzichtbaren Balladen-Nichtigkeiten können die Beteiligten es nämlich nicht lassen, die eine oder andere Hörgewohnheit zu verbeulen. Das bassig angerissene Gepolter von "Trick pony" würde dem verrauchtesten Kellerclub zu höchster Ehre gereichen, und beim planvollen Chaostrip "Greenwich mean time" meint man beinahe zu sehen, wie Gainsbourg nach einer weiteren, diesmal psychedelischen, Grenzerfahrung verwirrt auf die Uhr schaut: Wie spät mag es sein? Schon 5:55 Uhr? Oder gar 6:66 Uhr? War das mit dem "Antichrist" am Ende doch eine etwas ernstere Angelegenheit? Zum Abschied lässt sie noch einen liebevoll diabolischen Blick schweifen - und erfreut sich bester Gesundheit.
Highlights & Tracklist
Highlights
- IRM
- Le chat du café des artistes
- Heaven can wait
- Trick pony
Tracklist
- Master's hands
- IRM
- Le chat du café des artistes
- In the end
- Heaven can wait
- Miss Jane Doe
- Vanities
- Time of the assassins
- Trick pony
- Greenwich mean time
- Dandelion
- Voyage
- La collectionneuse
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