Benjy Ferree - Come back to the five and dime, Bobby Dee Bobby Dee
Domino / IndigoVÖ: 04.12.2009
Kleiner Mann, was nun?
Quizkind Donnie Smith ist nicht zu beneiden. Wer ihn nicht kennen sollte: Es handelt sich um die Figur aus Paul Thomas Andersons Film "Magnolia", die in jungen Jahren bei einem Fernsehratespiel Unsummen abräumte. Statt aber reich und berühmt zu werden beziehungsweise zu bleiben, musste er zusehen, wie seine Eltern das ganze Geld verprassten, worauf Donnie zu einem verhärmten, lebensuntauglichen Außenseiter heranwuchs, der vor Einsamkeit Kneipentoiletten vollkotzt. Immerhin: Er ist noch am Leben. Bobby Driscoll erging es weniger gut: erst gefeierter Disney-Kinderstar, dann schmerzhafte Pubertät und künstlerischer wie sozialer Abstieg bis hin zum unglamourösen Drogentod in einer New Yorker Absteige. Zum Glück gibt es von Zeit zu Zeit Leute wie Benjy Ferree, die einem solch bedauernswerte Existenzen in Erinnerung rufen.
Mit seinem ersten Album "Leaving the nest" konnte man den Songwriter aus Washington D.C. noch in einen Sack mit Naturburschen wie Will Oldham oder Bill Callahan stecken, vom famos knorrigen Punkrock-Rumpler "Dogkillers!" einmal abgesehen. Doch ein ganzes Album über Driscoll verdient Elaborierteres, als nur mal eben eingeklampft zu werden. Schließlich verehrt Ferree ihn bis heute für seine Rolle in "Peter Pan". Und geht darum aufs Ganze. Mehr Drama, mehr Liebeskummer, mehr Blues, mehr Rock'n'Roll. "Tired of being good" überfährt einen direkt zu Anfang mit Sambarhythmen, Gitarrenreverbs und Streichersektionen, auf dem Fuße folgen trunkene Humpelpianos, mehrstimmiger Leadgesang und quengelige Rock-Shuffles. Also lieber zu viel als zu wenig.
Und was genausogut als überforderndes Panoptikum der Schrägheiten hätte enden können, erweist sich als als tolles Pop-Album voll schrägem Witz und tief empfundener Seelenqualen, auf dem Ferree das Spiel mit ruppig und käsig, angepisst und zuckersüß meisterhaft beherrscht. "Blown out (Gold doubloons and pcs of 8)" schwärmt groovig rockend Driscolls Partnerin aus der Stevenson-Verfilmung "Die Schatzinsel" an. "Come to me, coming to me" legt sich mit waghalsigen Rock'n'Roll-Tempowechseln gleich mehrmals hintereinander auf die Nase und landet schließlich im "Whirlpool of love", einem hemmungslosen Schmachtfetzen jenseits aller Selbstbeschränkung. Herzen brechen, Lebensläufe geraten aus den Fugen, große Gefühle und bluesige Verzweiflung werden ihrer melodramatischen Bestimmung zugeführt.
Wenn "Pisstopher Christopher" danach jede Menge schlechte Laune hinter sich herschleift und "When you're 16" einen Abgesang auf juvenile Popularität anstimmt, ist Driscoll bereits so gut wie am Ende. Ferree aber bleibt stets auf der Höhe und brummelt, croont und jubiliert sich erstaunlich variabel durch dieses Album. Vielleicht ist ja auch er eine Art Wunderkind. Zwar mit etwas lichterem Haar und ein paar Jahren mehr auf dem Buckel als sein Held zu dessen Glanzzeit, aber auch mit genug Humor, Charme und musikalischer Inspiration für hinreißend trotzige 51 Minuten praktische Überlebenshilfe im Haifischbecken Hollywood. Mithin eine Platte, die für Bobby Driscoll etwa fünfzig Jahre zu spät kommt. Doch wer weiß, wie viele Leben und Karrieren "Come back to the five and dime, Bobby Dee Bobby Dee" auf lange Sicht retten wird.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Tired of being good
- Blown out (Gold doubloons and pcs of 8)
- I get no love
- Come to me, coming to me
Tracklist
- Tired of being good
- Fear
- Big business
- What would Pecos do?
- Blown out (Gold doubloons and pcs of 8)
- The grips
- Iris flowers
- I get no love
- Come to me, coming to me
- Whirlpool of love
- Pisstopher Christopher
- When you're 16
- Great Scott!
- Zipperface blues
Referenzen