Scumbucket - Heliophobia

Noisolution / Indigo
VÖ: 06.11.2009
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Happy thirsty

Die Alten werden sich nicht mehr erinnern: 1997 war ein Jahr wie jedes andere. Oliver Bierhoff erschoss sich gerade seinen fünften Werbevertrag mit der Shampoo-Industrie, Männer legten sich freiwillig 1€-Zusatzjobs zu, um die Tamagotchi-Brut ihrer Frauen durchzufüttern, und wer "Koblenzer Schule" sagte, meinte bestenfalls das Johannes-Gymnasium in der Johannesstraße. Nur eine Schlagzeile wäre es 1996 wert gewesen, dass man sie in dicken Lettern über dem Bruch druckt: Scumbucket um Kurt Ebelhäuser hatten gerade über Hypo-Kredite, Blutspenden und einen Pakt mit dem Teufel ihre erste Platte "Heliophobe" finanziert. Die erschien allerdings in so kleiner Auflage, dass der aktuelle ebay-Kurs auch mit dem Festgeld-Konto von Uli Hoeneß kaum zu stemmen wäre. Erst die Nicht-nur-Neuauflage "Heliophobia" macht diese Geschichtsstunde wieder für Menschen erschwinglich, die nicht sonntags zu Bratwurst und "Song 2" die VIP-Tribünen der TuS Koblenz mit ihren Hintern wärmen.

Jubiläen sind ja eigentlich ein bisschen wie Geburtstagsfeiern: die runden sind die teuersten. Bevor sich also bei Kurt Ebelhäuser die Einladungs-Schreiben bis unter die Decke stapelten, verplante er 2006 das "Heliophobe"-Jubiläum einfach um etwa zwei Jahre und kürzte die Gästeliste auf 15 Einträge zusammen. Wie bei so vielem bei Ebelhäuser gilt hier: zur Nachahmung eher nicht empfohlen. Am Ende tanzte er mit fünf Paletten Jägermeister, seinen Band-Kollegen und eben diesen 15 "Heliophobe"-Songs im Tonstudio 45 Polonaise. Und dann ging es ran an die Paletten, die Geschichten von damals und die 15 Songs, die ja auch irgendwie Geschichten von damals sind.

Man hört das spätestens, sobald die ersten Ebelhäuser-Gitarren in "Blame" den zweiten Nachbarn auf den Plan rufen: "Heliophobia" ist mehr als der übliche Plattenfirmen-Scheiß. Scumbucket hätten ihren Semester-Praktikanten ein paar Jugendsünden aufhupen lassen können, wie das sonst in der Branche eben so üblich ist. Dazu einen "Re-mastered"-Sticker draufgepackt, ein neues Preisschild dazu und ab dafür. Stattdessen haben sie ihre "Heliophobe"-Platte komplett neu eingespielt, und das in Original-Besetzung. Ohne Bank-Kredit, ohne Hintergedanken und in einer Auflage, die sogar das Weihnachtsgeschäft noch überdauern könnte. Experiment geglückt, denn auch wenn "Heliophobe" ein bisschen gegen die Übergröße seiner Nachfolger "Batuu" und "Finistra" anstrampeln muss: Nie drückte einen der Groove von "Breeze" tiefer ins Sofakissen, nie sägten die Feedback-Attacken in "Killing me dogs" so schön wie hier. Alter Noise in neuen Schläuchen. Und wer als Neueinsteiger beim Geschrei in "Dis my naff (part 1)" an einen anderen Kurt als den Ebelhäuser denken muss, liegt auch nicht komplett verkehrt. Verschnürt haben Scumbucket das alles in ein Artwork, mit dem auch Jäger und Sammler glücklich werden können. "Heliophobia" feiert einen Geburtstag, der vor etwa zwei Jahren rund gewesen wäre und verteilt die Geschenke selbst. Glückwunsch!

(Sven Cadario)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Drag
  • Breeze
  • Killing me dogs

Tracklist

  1. Dis my naff (part 1)
  2. Blame
  3. Drag
  4. Etah
  5. Hoyoto
  6. Breeze
  7. Dis my naff (part 2)
  8. Super C
  9. Big step for mankind
  10. Workalcoholic
  11. Brid
  12. Killing me dogs
  13. Big ants
  14. Doc store
  15. Dead man walking
Gesamtspielzeit: 56:36 min

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